Theodor Herzl / Benjamin S'ew Herzl
Der Judenstaat
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Vorrede
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Einleitung
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Allgemeiner Teil
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Die Jewish Company
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Ortsgruppen
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Society of Jews und
Judenstaat
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Schlußwort
SCHLUSSWORT
Wie vieles ist noch unerörtert
geblieben, wie viele Mängel, schädliche Flüchtigkeiten und nutzlose
Wiederholungen weist noch immer diese Schrift auf, die ich mir lange
wohl bedacht und oft überarbeitet habe.
Der redliche Leser, der auch verständig genug ist, im Innern der
Worte zu lesen, wird sich von den Mängeln nicht abstoßen lassen. Er
wird sich eher angeeifert fühlen, mit seinem Scharfsinn und seiner
Kraft teilzunehmen an einem Werk, das keinem einzelnen gehört, und
es zu verbessem.
Habe ich nicht selbstverständliche Dinge erklärt und wichtige
Bedenken übersehen?
Einige Einwände habe ich zu widerlegen versucht; ich weiß, es gibt
noch andere, viele, es gibt hohe und niedere.
Zu den hohen Einwendungen gehört es, daß in der Welt die Notlage der
Juden nicht die einzige ist. - Ich meine aber, daß wir immerhin
anfangen sollen, ein wenig Elend hinwegzuräumen; wäre es auch
vorläufig nur unser eigenes.
Ferner kann gesagt werden, daß wir nicht neue Untersehiede zwischen
die Menschen bringen sollten; keine neuen Grenzen errichten, lieber
die alten verschwinden machen. - Ich meine, das sind liebenswerte
Schwärmer, die so denken; aber der Staub ihrer Knochen wird schon
spurlos zerblasen sein, wenn die Vaterlandsidee noch immer blühen
wird. Die allgemeine Verbrüderung ist nicht einmal ein schöner
Traum. Der Feind ist nötig für die höchsten Anstrengungen der
Persönlichkeit.
Aber wie? Die Juden würden wohl in ihrem eigenen Staat keinen Feind
mehr haben, und da sie im Wohlergehen schwach werden und schwinden,
so würde das Judenvolk dann erst recht zugrunde gehen? - Ich meine,
die Juden werden immer genug Feinde haben, wie jede andere Nation.
Wenn sie aber auf ihrem eigenen Boden sitzen, können sie nie mehr in
alle Welt zerstreut werden. Wiederholt kann die Diaspora nicht
werden, solange die ganze Kultur der Welt nicht zusammenbricht. Und
davor kann sich nur ein Einfältiger fürchten. Die jetzige Kultur hat
Machtmittel genug, um sich zu verteidigen.
Die niederen Einwendungen sind zahllos, wie es ja auch mehr niedere
Menschen gibt als hohe. Einige beschränkte Vorstellungen versuchte
ich niederzuringen. Wer sich hinter die weiße Fahne mit den sieben
Sternen stellen will, muß mithelfen in diesem Aufklärungs-Feldzug.
Vielleicht wird der Kampf zuerst gegen manche bösen, engherzigen,
beschränkten Juden geführt werden müssen.
Wird man nicht sagen, daß ich den Antisemiten Waffen liefere? Warum?
Weil ich das Wahre zugebe? Weil ich nicht behaupte, daß wir lauter
vortreffliche Menschen unter uns haben?
Wird man nicht sagen, daß ich einen Weg zeige, auf dem man uns
schaden könnte? Das bestreite ich auf das entschiedenste. Was ich
vorschlage, kann nur ausgeführt werden mit freier Zustimmung der
Judenmehrheit. Es kann gegen einzelne, selbst gegen die Gruppen der
jetzt mächtigsten Juden gemacht werden - aber nie und nimmermehr vom
Staat aus gegen alle Juden. Man kann die gesetzliche
Gleichberechtigung der Juden, wo sie einmal besteht, nicht mehr
aufheben; denn schon die einleitenden Versuche würden sofort alle
Juden, arm und reich, den Umsturzparteien zujagen. Schon der Beginn
offizieller Ungerechtigkeiten gegen die Juden hat überall
wirtschaftliche Krisen im Gefolge. Man kann also eigentlich wenig
Wirksames gegen uns tun, wenn man sich nicht selbst weh tun will.
Dabei wächst und wächst der Haß. Die Reichen spüren davon nicht
viel. Aber unsere Armen! Man frage unsere Armen, die seit der
Erneuerung des Antisemitismus furchtbarer proletarisiert wurden als
je vorher.
Werden einige Wohlhabende meinen, der Druck sei noch nicht groß
genug für die Auswanderung und selbst bei gewaltsamen
Judenaustreibungen zeige sich, wie ungern unsere Leute gingen? Ja,
weil sie nicht wissen, wohin! Weil sie nur aus einem Elend ins
andere kommen. Aber wir zeigen ihnen den Weg in das Gelobte Land.
Und mit der schrecklichen Macht der Gewohnheit muß die herrliche
Macht der Begeisterung ringen.
Die Verfolgungen sind nicht mehr so bösartig wie im Mittelalter? Ja,
aber unsere Empfindlichkeit ist gewachsen, so daß wir keine
Verminderung der Leiden spüren. Die lange Verfolgung hat unsere
Nerven überreizt.
Und wird man noch sagen: die Unternehmung sei hoffnungslos, selbst
wenn wir das Land und die Souveränität bekommen - weil nur die Armen
mitgehen werden? Gerade die brauchen wir zuerst! Nur die Desperados
taugen zum Erobern.
Wird jemand sagen: Ja, wenn das möglich wäre, hätte man es schon
gemacht?
Früher war es nicht möglich. Jetzt ist es möglich. Noch vor hundert,
vor fünfzig Jahren wäre es eine Schwärmerei gewesen. Heute ist das
alles wirklich. Die Reichen, die einen genußvollen Überblick über
sämtliche technischen Errungenschaften haben, wissen sehr gut, was
mit Geld alles gemacht werden kann. Und so wird es zugehen: Gerade
die Armen und Einfachen, die gar nicht ahnen, welche Gewalt über die
Naturkräfte der Mensch schon besitzt, werden die neue Botschaft am
stärksten glauben. Denn sie haben die Hoffnung auf das Gelobte Land
nicht verloren.
Da ist es, Juden! Kein Märchen, kein Betrug! Jeder kann sich davon
überzeugen, denn jeder trägt ein Stück vom Gelobten Land hinüber;
der in seinem Kopf, und der in seinen Armen, und jener in seinem
erworbenen Gut.
Nun könnte es scheinen, als wäre das eine langwierige Sache. Auch im
günstigsten Falle würde der Beginn der Staatsgründung noch viele
Jahre auf sich warten lassen. Inzwischen werden die Juden auf
tausend Punkten gehänselt, gekränkt, gescholten, geprügelt,
geplündert und erschlagen. Nein, wenn wir auch nur beginnen, den
Plan auszuführen, kommt der Antisemitismus überall und sofort zum
Stillstand. Denn er ist der Friedensschluß. Wenn die Jewish Company
gebildet ist, wird diese Nachricht in einem Tage nach den fernsten
Punkten der Erde durch den Blitz unserer Drähte hinausgetragen
worden sein.
Und augenblicklich beginnt auch die Erleichterung. Aus den
Mittelständen fließen unsere überproduzierten mittleren
Intelligenzen, fließen ab in unsere ersten Organisationen, bilden
unsere ersten Techniker, Offiziere, Professoren, Beamten, Juristen,
Ärzte. Und so geht die Sache weiter, eilig und doch ohne
Erschütterung.
Man wird in den Tempeln beten für das Gelingen des Werkes. Aber in
den Kirchen auch! Es ist die Lösung eines alten Druckes, unter dem
alle litten.
Aber zunächst muß es licht werden in den Köpfen. Der Gedanke muß
hinausfliegen bis in die letzten jammervollen Nester, wo unsere
Leute wohnen. Sie werden aufwachen aus ihrem dumpfen Brüten. Denn in
unser aller Leben kommt ein neuer Inhalt. Jeder braucht nur an sich
selbst zu denken, und der Zug wird schon ein gewaltiger.
Und welcher Ruhm erwartet die selbstlosen Kämpfer für die Sache!
Darum glaube ich, daß ein Geschlecht wunderbarer Juden aus der Erde
wachsen wird. Die Makkabäer werden wieder aufstehen.
Noch einmal sei das Wort des Anfangs wiederholt: Die Juden, die
wollen, werden ihren Staat haben.
Wir sollen endlich als freie Männer auf unserer eigenen Scholle
leben und in unserer eigenen Heimat ruhig sterben.
Die Welt wird durch unsere Freiheit befreit, durch unseren Reichtum
bereichert und vergrößert durch unsere Größe.
Und was wir dort nur für unser eigenes Gedeihen versuchen, wirkt
machtvoll und beglückend hinaus zum Wohle aller Menschen.
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