Moses Hess (1812-1875)
Moses
Hess wurde 1812 in Bonn geboren. Nachdem der Vater nach Köln zog, wo er
einen Laden und eine Zuckerfabrik besaß, blieb Moses Hess in der Obhut
seiner orthodoxen Großvaters, der ihn traditionell erzog. Im Alter von 14
wurde Hess nach Köln geschickt, wo er im väterlichen Betrieb arbeitete.
Zwischen 1837 und 1839 studierte er an der Bonner Universität Philosophie,
schloss das Studium jedoch nicht ab. 1837 veröffentlichte Hess sein erstes
Buch, eine historisch-philosophische Arbeit unter dem Titel "Die heilige
Geschichte der Menschheit". 1841 veröffentlichte er "Die europäische
Triarchie", worin er die Vereinigung von England, Frankreich und Deutschland
zu einem europäischen Staat vorschlug.
Hess gehörte zu den Gründern und
Redakteuren der ersten sozialistischen Tageszeitung Deutschlands, der
Rheinischen Zeitung, und schrieb bis zu ihrer Auflösung durch die preußische
Regierung im März 1843 als Korrespondent aus Paris. 1845 zog Hess nach
Belgien und war im Kommunistenbund aktiv. 1848–49 lebte er erneut als
Korrespondent für verschiedene Zeitungen in Paris und suchte 1849 Zuflucht
in der Schweiz und erneut in Belgien. Nach 1853 lebte er, mit
Unterbrechungen, bis zu seinem Tod in Paris.
Nach dem Tod des Vaters 1851, der ihm
ein Erbe bescherte, das ein unabhängiges Leben ermöglichte, heiratete Hess
seine christliche Lebenspartnerin Sybille Pesch. Die Jahre 1861 bis 1863
verbrachte er erneut in Deutschland, wo er auch sein berühmtestes Werk "Rom
und Jerusalem" veröffentlichte. 1863 wurde er zum Bevollmächtigten des
Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins für Köln. Doch bereits Ende 1863
kehrte er nach Paris zurück, wo er für zahlreiche sozialistische Zeitungen
schrieb. Mit dem Ausbruch des französisch-preußischen Krieges wurde er aus
Frankreich ausgewiesen und kehrte nach Belgien zurück. Nach dem Krieg kehrte
er erneut nach Paris zurück, wo er 1875 starb. Seinem letzten Willen
entsprechend wurde er am jüdischen Friedhof von Deutz bei Köln beigesetzt.
1961 wurden seine sterblichen Überreste nach Israel überführt. Er ruht am
Friedhof des Kibbutz Kinneret neben anderen sozialistischen Zionisten wie
Nachum Syrkin, Ber Borochow und Berl Katznelson.
Hess kann als erster bedeutender
deutscher Sozialist bezeichnet werden und ist der wichtigste Vertreter des
"philosophischen Sozialismus". Im Gegensatz zu Ludwig Feuerbach, der seine
Theorie der Selbstentfremdung nur auf die Religion anwendet, sah Hess diese
Erscheinung in Bezug auf historische und ökonomische Phänomene wie Eigentum,
Staat und Politik gegeben. Hess war der Ansicht, dass freie Arbeit das auf
Ausbeutung beruhende System ersetzen sollte und freie Arbeit die Essenz des
Menschen als soziale Spezies entwickeln würde. Sozialismus war für ihn keine
Klassenfrage, sondern ein humanitäres Problem, das durch Erziehung und
Organisation der Arbeit gelöst werden könne. Karl Marx und Friedrich Engels
kritisierten ihn dafür in ihrem "Kommunistischen Manifest". Hess war selbst
stark von Marx beeinflusst, wurde aber niemals ein "wahrer" Marxist, sondern
blieb seinem ethischen Sozialismus treu.
Hess' Einstellung zu den Juden änderte
sich einige Male im Laufe seines Lebens. In seinen Zwanzigerjahren fühlte er
sich durch und durch als Deutscher und war davon überzeugt, dass sich die
Juden assimilieren sollten. Während der Damaskus Affäre 1840 war er vom
Leiden seiner Glaubensgenossen stark beeinflusst. Doch erst die Vereinigung
Italiens, der Aufstieg des Nationalismus und das Hervortreten des deutschen
Antisemitismus brachten Hess zu seinen jüdischen Wurzeln zurück. 1862
erschien sein Klassiker des Zionismus "Rom und Jerusalem", in dem er seine
Rückkehr zu "seinem" Volk beschreibt.
Sein jüdisch-nationales Konzept beruhte
auf seiner Idee von "Rasse". Die jüdische Religion war für ihn das beste
Mittel, die jüdische Nationalität zu bewahren, und sollte bis zur
Etablierung einer jüdischen Einheit in Palästina unverändert bleiben. Die
Grundlagen des zukünftigen jüdischen Staates seien der nationale Landerwerb,
die Schaffung legaler Bedingungen und die Gründung jüdischer Körperschaften
für Landwirtschaft, Industrie und Handel.
Moses Hess' Werk geriet längere Zeit in
Vergessenheit. Erst mit dem Auftreten des politischen Zionismus wurde sein
Werk gewürdigt.
Theodor Herzl schrieb über Moses Hess:
Ich fuhr (...) am Dienstag nach Aussee, nahm eine Sommerwohnung und fuhr
gestern wieder zurück. Die 19 Stunden dieser Hin- und Herfahrt verkürzte mir
Heß mit seinem "Rom und Jerusalem", das ich 1898 in Jerusalem zum ersten
male zu lesen begonnen, aber in Drang und Hast dieser Jahre nie hatte
ordentlich zu Ende lesen können. Nun ward ich von ihm entzückt und erhoben.
Welch ein hoher edler Geist. Alles, was wir versuchten, steht schon bei ihm.
Lästig nur das Hegelianische seiner Terminologie. Herrlich das
Spinozistisch-Jüdische und Nationale. Seit Spinzoa hat das Judentum keinen
größere Geist hervorgebracht als diesen vergessenen verblaßten Moses Heß!
Tagebücher, 2. Mai 1901
Rom und Jerusalem
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10-05-07 |