Chaim Weizmann (1874-1952)
Chaim
Weizmann wurde 1874 in der Nähe von Pinsk, am Rande des russischen
Ansiedlungsrayons, geboren. Sein Vater war Holzhändler, Chaim war das dritte
von fünfzehn Kindern. Chaim wuchs in einem typischen Stetl auf und besuchte
den traditionellen Cheder. An der Pinsker Realschule zeigte sich Weizmanns
Talent für die Wissenschaft. Nach der Schule ging er nach Deutschland, um
dort am Darmstädter Polytechnikum zu studieren, nachdem die russischen
Universitäten nur eine sehr begrenzte Zahl von Juden zum Studium zuließen.
Nach zwei Semestern in Darmstadt wechselte Weizmann nach Berlin und
studierte Biochemie am Institut für Technologie Charlottenburg.
In Berlin schloss sich Weizmann einem Kreis zionistischer Intellektueller
an, dem jüdisch-russisch wissenschaftlichen Verein, dem u.a. auch Nachman
Syrkin und Leo Motzkin angehörten. Die Gruppe war Ahad haAms kulturellem
Zionismus nahe, jedoch von Theodor Herzls Auftreten und seiner Vision eines
Judenstaates begeistert.
Wegen eines Aufenthaltes in Moskau konnte Weizmann nicht am Ersten
Zionistenkongress 1897 in Basel teilnehmen. Er war jedoch Delegierter auf
dem zweiten Kongress 1898. Im selben Jahr wechselte er an die Universität
Freiburg in der Schweiz, um seine Dissertation zu beenden. Weizmann konnte
sein erstes chemisches Patent verkaufen und wurde 1901 Assistent an der
Universität Genf. Sein Leben war seitdem zwischen Chemie und Zionismus
geteilt.
Weizmann wurde bald zu einer bekannten Persönlichkeit in der Zionistischen
Bewegung. Auch wenn er Herzls Führung anerkannte und ihn bewunderte,
kritisierte er dessen Ausrichtung auf externe Faktoren der Diplomatie.
Weizmann war daher vor dem Fünften Zionistenkongress 1901 unter den Gründern
der "demokratischen Front". Während Herzl versuchte, eine Charter vom
türkischen Sultan zu erlangen, sorgte sich Weizmann um die hebräische Kultur
und gab mit seinen Mitstreitern das Pamphlet "Eine jüdische Hochschule"
heraus, das die Gründung einer hebräischen Universität als spirituelles
Zentrum des Zionismus forderte.
Am sechsten Kongress, 1903 in Basel, stimmte Weizmann gegen den Ugandaplan.
1904 ging er nach England, heiratete Vera Chatzmann und erhielt 1907 eine
Professur an der Universität von Manchester. 1906 hatte Weizmann die
Gelegenheit, dem britischem Premierminister Arthur James Balfour die Idee
des Zionismus zu erklären. Balfour wurde zu einem ausgesprochenen
Unterstützer des Zionismus.
1907 hielt Weizmann auf dem Achten Zionistenkongress in Den Hague seine
berühmte Rede, die nach einer gesunde Synthese der beiden Richtungen der
Bewegungen rief. Der "synthetische Zionismus" wurde zur Leitlinie der
Bewegung und verband politische Aktivität mit praktischer Arbeit in
Palästina.
Während des Ersten Weltkrieges ergriff Weizmann, der zu dieser Zeit keine
Führungsposition in der Zionistischen Bewegung innehatte, die Initiative und
wurde an der diplomatischen Front aktiv. Seine Bemühungen gipfelten in der
"Balfour Erklärung" vom 2. November 1917, in der die britische Regierung der
Zionistischen Bewegung ihre Unterstützung versicherte: " Die Regierung
Seiner Majestät betrachtet mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen
Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina und wird ihr Bestes tun, die
Erreichung dieses Zieles zu erleichtern".
1918 wurde Weizmann daraufhin als Vorsitzender der Zionistischen Kommission
von der britischen Regierung nach Palästina gesandt, um Vorschläge zur
weiteren Entwicklung des Landes und die Ansiedlung zu unterbreiten. Weizmann
reiste dort auch nach Maan, nördlich von Akaba, um auf Vorschlag General
Allenbys hin, Emir Feisal, den Führer der arabischen Nationalisten, zu
treffen. Eine jüdisch-arabische Zusammenarbeit schien erstmals möglich, doch
die Hoffnungen zerschlugen sich schnell. Auf dieser Reise nahm Weizmann auch
an der Grundsteinlegung der Hebräische Universität in Jerusalem bei, die
schließlich 1925 eröffnet wurde.
1919 führte Weizmann die zionistische Delegation bei der Pariser
Friedenskonferenz und forcierte beim Völkerbund das britische Mandat über
Palästina. Auf der Londoner Zionistischen Konferenz von 1920 wurde er
schließlich zum Präsidenten der Zionistischen Organisation gewählt, eine
Position, die er durch seine diplomatischen Bemühungen und die daraus
gewonnene Anerkennung bereits faktisch innehatte. Er hielt dieses Amt bis
1931 und von 1935 bis 1946 inne.
Nach den arabischen Aufständen in Palästina veröffentlichte Großbritannien
1930 das "Passfield Weissbuch" zu Fragen der Verfügbarkeit und Kultivierung
des Bodens. Das Weissbuch sprach sich in Bezug auf die Einwanderung gegen
eine großzügige Politk gegenüber den Zionisten aus. Weizmann trat daraufhin
zornig von seinem Amt zurück und wurde erst wieder Präsident der
Zionistischen Organisation, nachdem der britische Premierminster MacDonald
in einem Brief die britischen Verpflichtungen zur Errichtung einer
nationalen jüdischen Heimstätte erneuert hatte.
1931 wurde Weizmann als Präsident nicht bestätigt. Er widmete sich daraufhin
wieder seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, unternahm aber Reisen in die USA
und nach Südafrika, um Geld zu sammeln und arbeitete für die Rettung
jüdischer Flüchtlinge aus Deutschland, im Besonderen für jüdische
Wissenschaftler, die er am von ihm gegründeten Sieff Institut in Rechovot
unterbrachte.
1935 kehrte Weizmann in das Amt des Präsidenten der Zionistischen
Organisation zurück und vertrat diese vor der Peel-Kommission. Mit der
Veröffentlichung des MacDonald Weissbuch 1939 wurde die jüdische
Einwanderung nach Palästina radikal begrenzt und die Bemühungen Weizmanns
und der zionistischen Führung im Angesicht der Bedrohung aus
Nazi-Deutschland zunichte gemacht. Der 21. Zionistenkongress in Genf fand
unter dem Eindruck des Weissbuches statt, jegliche Hoffnung auf eine
nationale jüdische Heimstätte schien zerstört. Nach den Debatten über den
britischen Verrat schloss Weizmann den Kongress mit einer prophetischen
Rede, nachdem die Neuigkeit des Hitler-Stalin-Paktes bekannt geworden war: "
Um uns wird es dunkel (...) wenn wir, wie ich hoffe, verschont bleiben, und
unsere Arbeit fortgesetzt werden kann, wer weiß, vielleicht wird dann aus
der Dunkelheit ein neues Licht auf uns scheinen."
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges versicherte Weizmann der britischen
Regierung sofort die uneingeschränkte Unterstützung der jüdischen
Bevölkerung Palästinas und der Juden insgesamt. Er drängte zudem auf die
Bildung einer jüdische Truppeneinheit. Weizmann und David Ben Gurion
begannen während des Krieges massiv Unterstützung für einen jüdischen Staat
in Palästina in den USA einzuwerben.
Innerhalb der zionistischen Bewegung wuchs die Kritik an Weizmanns
pro-britischem Kurs. Nach Kriegsende hatte er einen ersten gesundheitlichen
Zusammenbruch. Als schließlich in England die Arbeiterpartei an die
Regierung kam und ihre vor dem Krieg abgegebenen Versprechen, eine
prozionistische Politik zu führen, nicht hielt und jüdische Displaced
Persons an der Einreise nach Palästina hinderten, endete Weizmanns
Führungsposition. Der 22. Zionistenkongress bestätigte ihn nicht mehr als
Präident der Zionistischen Organisation.
Obwohl Weizmann keine offizielle Position in der Zionistischen Bewegung mehr
innehatte, blieb er weiterhin einer ihrer wichtigsten Sprecher. 1947 sprach
er vor dem Palästina-Komitee der Vereinten Nationen, reiste nach New York
und hielt eine bedeutende Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten
Nationen. In den folgenden Monaten konnte er die Einbeziehung des Negev in
den Teilungsplan der Vereinten Nationen, sowie die Anerkennung eines
jüdischen Staates durch die USA erwirken.
Nach der Staatsgründung Israels wurde Chaim Weizmann zum Präsidenten des
Provisorischen Staatsrates ernannt. Am 16. Februar 1949 wählte ihn die
konstituierende Versammlung zum ersten Präsidenten des Staates Israel.

Chaim Weizmann (2.v.r.) und David Ben Gurion (2.v.l.)
bei einer Militärparade 1949
Weizmann verbrachte die letzten Jahre seiner Amtszeit als Präsident in einem
ambivalenten Zustand, da er sich mit repräsentativen Aufgaben zu begnügen
hatte. Im November 1949 wurde das Weizmann Institut in Rechovot gegründet,
wo er seine letzten Jahre verbrachte. Im November 1951 wurde Weizmann trotz
schwerer Krankheit für eine zweite Amtperiode wiedergewählt.
Dr. Chaim Weizmann starb am 9. November 1952 und wurde im Garten seines
Hauses, das heute ein Teil des Weizmann Institutes ist, beerdigt.
Rede auf dem VIII.
Zionistenkongress (August 1907)
Eröffnungsrede auf dem XV. Kongress (Basel,
August 1927)
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10-05-07 |