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Judentum und Israel
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Rede auf dem XII. Zionistenkongress in Karlsbad
(2. September 1921)

Von Martin Buber

Die schwere Stunde der Erkenntnis, der Selbsterkenntnis, hat zu schlagen begonnen, und ihren Pendelschlag kann nichts mehr aufhalten. Darum ziemt es sich jetzt nicht mehr, Kritik an Personen zu üben, und es genügt nicht, Kritik zu üben an Zuständen, an Institutionen und an Aktionen. Es gilt Kritik zu üben an dem Innersten des Zionismus, an dem Innersten des gegenwärtigen Zionismus, an seinem Verhältnis zur Idee. Und wenn ich dies das Innerste und Wesentlichste nenne, so weiß ich mich eins mit dem Geiste des Mannes, der diesen Kongreß geschaffen hat und zu dessen Füßen ich einst gesessen habe, auch dann, wenn ich gegen ihn stritt.

"Im Anfang war die Idee." Das bedeutet aber nur, daß sie von Anfang an unseren Willen und unser Tun getragen hat. Das bedeutet nicht, daß sie klar und reif schon in uns gelebt hat. Sie ist erst mit der Zeit immer klarer, immer reifer, bewußter, größer in uns geworden. Die Idee, die uns getragen hat, die Idee der Wiedergeburt - zu klein hatten wir sie gefaßt, als wir von Renaissance sprachen. Zu klein, als wir meinten, es sei nur ein nationaler Begriff, zu klein, als wir meinten, es sei nur eine historische Kategorie. Gemeint ist in Wahrheit der große religiöse Begriff der Wiedergeburt, der zweiten Geburt mitten im Leben eines Lebewesens, mitten im Leben des einzelnen Menschen, das, was jede Religion als das Innerste des Zusammenhangs des Menschen mit dem Absoluten fühlt und was die jüdische Religion unter den Begriff der Teschuwa gefaßt hat. Wie unsere Sage von Abraham erzählt, er sei, als er sich aus den Gebundenheiten seines Lebens löste und sich dann zum Bunde mit Gott erhob, zu einer neuen Schöpfung, bria chadascha, umgeschaffen worden, so ist es auch mit diesem Volk. Der Kern des jüdischen Volkes will sich erneuen, so wie sich der einzelne Mensch mitten im Leben erneuert. Und das kann das Volkstum nur in Erez Israel. Aus dieser Idee eines Neuwerdens an diesem Punkte der Volksgeschichte gehen die Aufgaben der zionistischen Bewegung hervor. Aber nicht bloß die Aufgaben, sondern auch deren Schichtung, deren Rangordnung.

Die erste wesentliche Aufgabe ist, das Volk zu der Bereitschaft für die Wiedergeburt, das heißt: zu der wahren Teschuwa, zu der wahren Umkehr von seinem Wege zu erziehen. Und freilich, die Unbereitschaft des Volkes gehört eben zu den Zuständen, aus denen es erlöst werden soll. In der Tretmühle der Pein ist das Volk müde geworden. Es ist müde geworden und es kann kaum das Wagnis dieser Umkehr unternehmen, es wagt nicht, in das Feuerbad der Erneuerung zu tauchen. Es ist eine ungeheure Aufgabe und doch die erste, vorderste Aufgabe, die gemeint ist mit dem Worte Techiath ha-lewawoth, Wiederbelebung der Herzen, das der gesprochen hat, dessen Name auch auf diesem Kongreß mit Ehrfurcht erwähnt werden soll, Achad Haam.

Diese erste Aufgabe ist die Aufgabe der Volkserziehung. Die zweite Aufgabe ist die Bereitung des Landes durch das Pioniertum der Arbeit. Galuth und Erez Israel sind nicht zwei territorial geschiedene Begriffe, sondern zwei Lebensformen, die Formen des parasitären und des schöpferischen Lebens. Erez Israel bedeutet für uns vor allem die Rückkehr aus dem parasitären Leben, in dem wir die Werte, die andere Völker schufen, ausnützen, zum vollständigen Volksleben, zur Verbundenheit mit der eigenen Erde.

Die Gewinnung Erez Israels und die Bereitung Erez Israels durch eigene Arbeit ist die zweite Aufgabe. Es darf nicht in Erez Israel eine Galuth geben.

Und die dritte Aufgabe, das ist die Beseitigung der äußeren Hindernisse, die nicht in Volk und Land liegen, sondern in Dingen, die von Volk und Land unabhängig sind. Das ist die Politik im engeren Sinne oder, sagen wir es genauer, die Diplomatie — genauer deshalb, weil auch die ersten Aufgaben Politik einschließen, die erste Kulturpolitik und die zweite Wirtschaftspolitik. Diplomatie ist die Arbeit, die die anderen realen Arbeiten erleichtern und ergänzen soll. Diplomatie kann nicht erlösen. Sie kann nur die wirkliche Arbeit an Volk und Land erleichtern.

Ich sagte schon, es gibt eine natürliche Schichtung dieser Aufgaben. Die bestimmende Aufgabe ist das Beginnen und nicht das Fordern und Durchsetzen. Die Diplomatie kann rechtmäßigerweise den andern Aufgaben nur koordiniert werden, nicht übergeordnet. Es gilt erst, Werke, Wirklichkeit zu schaffen, dann, Rechte, Recht zu fordern und durchzusetzen. Das ist etwas, was man der Fiktionspolitik, die im Zionismus eine so verhängnisvolle Rolle spielt, immer wieder entgegenhalten muß. Man kann nur die Rechte erkämpfen, denen eine von uns geschaffene Wirklichkeit entspricht. Aber eines läßt sich für die Diplomatie sagen: einen Schritt voraus hat sie vor den anderen Aufgaben, einen Schritt. Sie hat die Lebensbedingungen der Arbeit zu ermöglichen, das Minimum, das notwendig ist, damit wir frei, ungestört an die Arbeit für unser Ziel gehen können. Wie ein Handwerker einen Werkzeugkredit braucht, den er beanspruchen darf, den er auf Grund seiner Aufträge beanspruchen darf, so dürfen wir dieses Minimum der Lebensbedingungen für unsere Arbeit fordern auf Grund des Auftrags des jüdischen Volkes.

Was ist nun aus dieser Idee und dieser Aufgabe geworden? Was ist vor allem geworden aus der Erfassung dieser Idee? Eine kleine Schar junger Menschen, in denen die Idee, die uns von Anfang an getragen hat, zu einer Wirklichkeit der Seele und des Lebens wurde, hat angefangen, damit Ernst zu machen. Aber in dem ganzen weiten Umkreis der Bewegung ist der Lebensernst der Idee verflacht. Wir sind der Phraseologie verfallen. Ich weiß wohl, daß alle Bewegungen dieser Gefahr ausgesetzt sind, aber immer wieder muß die Phrase durchbrochen und geläutert werden von einer Flut des echten Wortes. Und daran fehlt es. Unsere Bewegung ist in erschreckender Weise zu einem Betrieb geworden. Am deutlichsten vielleicht zeigt sich, was ich meine, an der Ideenlosigkeit unserer inneren Kämpfe. Wir sind unrein geworden. Unrein durch die Phrase, unrein durch den Betrieb, unrein durch die Art unseres inneren Kampfes. Wir müssen uns reinigen, ehe wir wieder vor das Volk, vor das gepeinigte und erniedrigte Volk treten, das aber immer noch das Am Olam, das ewige Volk und das Weltvolk, ist, und zu ihm sprechen: "Reinige dich!"

Was ist aus jener natürlichen Schichtung unserer Aufgabe geworden? Die Chowewe-Zion, die durchaus keine unpolitischen Köpfe waren, wußten ganz gut, daß es zuerst gilt, eine Wirklichkeit zu schaffen und dann Rechte zu erkämpfen. Was sie nicht wußten, war nur, daß es auch gilt, politisch und also, wenn's nottut, diplomatisch die Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Herzl, der eine proklamatorische Politik, eine durch Verkündigung unserer Idee an die Welt eigentlich erst das Werk einleitende Politik meinte, Herzl hatte recht, daß diese proklamatorische Politik unsere Aktionen von Anfang an begleiten mußte, aber er hatte nicht recht, wenn er glaubte, daß die Aktionen nur die Politik zu unterstützen hätten. Das Umgekehrte ist die Wahrheit. Und das ist der Punkt, dem unser Kampf, der Kampf der Jugend, Chaim Weizmanns und mein Kampf und unserer Freunde Kampf gegen Herzl galt. Und das ist der Punkt, dem ebenderselben Menschen Kampf gegen Wolffsohn galt. Wie ist es jetzt? Die Diplomatie ist die Herrin, die reale Arbeit ist die Magd geworden, statt daß sie gleichgeordnete Werkgenossen seien. Die Folge davon ist die Zusammenhanglosigkeit unserer Arbeit, ihr unorganischer, mechanischer, improvisierter Charakter. Eine Änderung tut not. Es müssen die besten Kräfte auf die reale Arbeit, auf das Wesentliche unserer Arbeit gesammelt werden. Und dazu tut allerdings für uns alle eine Wandlung not. Aber dazu tut auch noch etwas anderes not, und da muß ich das Wort an Chaim Weizmann selber richten: Du bist uns unersetzlich, aber sei, wir bitten dich, sei darauf bedacht, uns deine Unersetzlichkeit nicht aus einem Stolze zu einer Demütigung zu machen. Stelle die Männer, die wir dir als Mitarbeiter geben — und wir wollen dir unsere Besten als Mitarbeiter für die reale Arbeit des Zionismus geben - stelle sie neben dich. Indem du ihre Ämter hebst, hebst du das deine vor den Augen des Volkes und vor den Augen der Geschichte.

Was ist aus der Erfassung und Verwirklichung der einzelnen Aufgaben geworden?

Volkserziehung — einzelne Versuche einer wirklichen Erziehung sind geschehen. Was sich aber breitmacht und der Welt sichtbar wird, das ist Agitation statt Erziehung, Leichtmachen statt Schwermachen, Verbilligung des Ideals. Man behandelt die Idee als etwas, was ganz gut zu brauchen ist, was man in der Tasche hat und herausziehen kann, sooft es nötig ist, man mißbraucht die Idee bis zum Zynismus. Man fragt zuweilen: wie gewinnt man das Volk? Darauf gibt es keine Antwort, weil es eine falsche Frage ist, oder wenn es doch eine Antwort gibt, so nur diese eine: indem man das Volk erzieht, gewinnt man es. Wie gewinnt man das Volk? Indem man Großes verspricht und Großes fordert. Indem man das ganze Leben verspricht und den ganzen Menschen fordert. Aber man kann dies nur, wenn man selbst den ganzen Menschen einsetzt. Man kann das Schwere nur fordern, wenn man es sich selbst nicht leicht macht. Und was ist die Folge dieser Entwicklung? Die Folge ist die Erstarrung des Nachwuchses und zum großen Teil der Verlust des Nachwuchses an andere Bewegungen, die Größeres versprechen — ich meine das ganze Leben des Menschen - und Größeres fordern. Die Folge ist der Abfall der geistigen Kräfte; und ich erinnere daran, was Weizmann auf dem Haager Kongreß von dem Abfall der geistigen Kräfte gesprochen hat. Man kann das Volk nicht zu politischen Augenblickszwecken, man kann es nicht zu Zustimmungsäußerungen wahrhaft gewinnen; all das ist Scheingewinn, nur für den Augenblick, nicht für den dauernden Zusammenhang, nur für äußere Teilnahme, nicht für Opfer. Eine Gemeinschaft, die von ihren Mitgliedern Geld verlangt, wird Almosen bekommen. Eine Gemeinschaft, die von ihren Mitgliedern den ganzen Menschen verlangt, wird auch sein Geld bekommen. Und die vergeblichen sinnlosen Konzessionen an die Masse wirken auf die Idee zurück und verflachen die Idee. Manchen ist die Erkenntnis dieser Lage aufgegangen. Ein Verlangen nach Wiederbelebung merken wir an manchen. Aber sie schlagen einen falschen Weg ein, wenn sie zu dem aus der unglückseligen Situation und Stimmung Europas heraus geborenen falschen Heroismus greifen. Das ist die neueste der nationalen Assimilationen, die in der Geschichte des Zionismus nicht so selten sind. Die Umkehr des Judentums bedeutet auch die Abkehr von diesem Ungeist. Es gibt für uns nur einen echten Heroismus: den der Arbeit.

Wie steht es mit der Ausführung der realen Arbeit in Palästina? Wie kommt es, daß in einem entscheidenden Augenblick unsere Kraft versagt hat? Wie kommt es, daß wir in dem Augenblick, wo wir etwas in Palästina selbst aufzeigen sollten, es nicht aufzeigten? Warum geschah die Vorarbeit nicht, die nicht einen Kolonisationsplan, sondern Vorbereitung einer organischen Kolonisation bedeutet? Es kommt daher, weil keine feste Konzeption der realen Arbeit da war und daher keine Kontinuität der Verwirklichung. Unsere Kolonisation ist eine ganz einzigartige, ungleich aller kapitalistischen und imperialistischen Kolonisation. Das sage ich ohne alle Dogmatik. Ich sage es nicht, als ob es nun gälte, die Privatinitiative auszuschalten; es gilt nur, die Gemeinschaft als die oberste Gewalt zu proklamieren und den Einzelnen ihr unterzuordnen. Es gibt noch eine andere Privatinitiative in Palästina, das ist die Initiative der Arbeit. In Palästina hat sich ein Arbeitszentrum gebildet, und wir sollten keinen Tag verstreichen lassen, ohne die Pioniere, die es geschaffen haben und schaffen, mit ihrem Leben und Sterben schaffen, tätig zu ehren. Gewiß hat auch die Arbeiterschaft Palästinas Fehler begangen. Das liegt daran, daß diese Arbeiter ein Sondertypus sind, der im Übergang ist vom Intellektuellen zum Arbeiter. Aber sie sind keine Doktrinäre. Ein Beweis dafür ist, daß sie Verständnis haben für dezentralisierte, für mannigfaltige wirtschaftliche Organisationsformen, für einen organischen, nicht doktrinären Sozialismus. Aber diesen Arbeitern müssen wir in ihren wirtschaftlichen Interessen helfen. Wir haben das vernachlässigt. Hier gibt es eine Fülle von Aufgaben.

Ich will jetzt von dem dritten und in diesem Zusammenhang wichtigsten Punkt sprechen, von der Politik, die eine Beseitigung äußerer Hindernisse zu sein hat. Ich sagte schon, es gibt eine natürliche Schichtung der Aufgaben, aber die ist bei uns umgekehrt worden. Unsere Politik hat sich, statt die Arbeitsbedingungen für die reale Arbeit zu sichern, die Sicherung des Ziels der realen Arbeit, also etwas Unmögliches vorgenommen. Das ist der Grundfehler der zionistischen Politik und der Fehler besonders der gegenwärtigen Politik, die auf die präparatorische der Chowewe-Zion und auf die proklamatorische Herzls gefolgt ist und die ich nicht anders nennen kann, als eine okkasionistische. Herzls Methode der weltpolitischen, überparteilichen Proklamierung ist durch die Ereignisse, durch das Schicksal aufgehoben worden. Das ist keinem zur Last zu legen. Aber eins ist zu beachten. Bündnisse, die in außerordentlichen Situationen geschlossen werden, sind wesentlich auf einer zeitlichen Interessengemeinschaft begründet. Um diese Interessengemeinschaft nicht mit anderen dauernden oder neu auftauchenden Interessen kollidieren zu lassen, um sie zu einer dauernden zu machen, empfiehlt sich eine besondere Umsicht und Präzision der Verhandlungen und Vereinbarungen. Und daran hat es gefehlt. Wir kennen den Text der Balfour-Deklaration, die, darin werden Sie mir wohl alle beistimmen, eine reine Rahmenerklärung ist, in die schier alles hineingeht, so völlig entgegengesetzte Auffassungen, wie die, die in der bekannten Rede Chaim Weizmanns über die Deklaration, und jene, die in einer ebenfalls bekannt gewordenen Rede Herbert Samuels zum Ausdruck kamen. Eine Deklaration, die so entgegengesetzte Welten in sich umfaßt, bedarf einer authentischen Interpretation. Ich habe von der Festlegung einer authentischen Interpretation der Balfour-Deklaraion nichts erfahren.

Und zum zweiten. Ich sagte schon: die Bedingungen, die primitivsten Bedingungen unserer Arbeit hat die Diplomatie zu erwirken. Hat sie das getan? Kann einer darauf mit Ja antworten, heute, wo wir vier Jahre nach der Balfour-Deklaration kämpfen müssen um das Recht unserer freien Einwanderung? Die Sicherung des Lebensminimums unserer realen Arbeit ist versäumt worden.

Und nun der andere Teil unserer Politik - denn wir haben ja nicht an Europa allein zu denken: die Araberfrage. Wie steht es hier mit der Sicherung des Minimums, das wir brauchen? Verhandlungen mit der nichtjüdischen Bevölkerung Palästinas waren die nächste logische Konsequenz der Balfour-Deklaration. Wenn sie leider nicht früher erfolgt sind, dann hätten sie so bald erfolgen müssen als es möglich war. Ich verkenne nicht die ungeheuren Schwierigkeiten; ich folge auch nicht dem Schlagwort, man solle mit Völkern und nicht mit Staaten verhandeln. Ich weiß, wie schwer das ist, mit Völkern zu verhandeln, die als Völker noch nicht konstituiert sind, noch nicht ihre legitime Vertretung haben. Und wie erst mit dem arabischen Volk! Trotzdem, es hätte etwas geschehen müssen, was nicht geschehen ist - womit ich nicht hie und da eine Verhandlung mit einem arabischen Notabeln meine. Allerdings gibt es für die Verhandlungen zwei Voraussetzungen, damit sie Erfolg haben können. Die eine Voraussetzung ist ein der ganzen Welt sichtbarer planvoller Beginn einer großen realen Kolonisationsleistung, die zweite ein konkretes politisches und wirtschaftliches Programm als Basis der Verhandlungen. Mir scheint, daß beides gefehlt hat.

Die Stunde, in der wir stehen, ist gerade in diesem Sinne, von dem wir jetzt sprechen, eine furchtbar schwere Stunde. Sie mahnt uns zur Erkenntnis, zur Entschlossenheit. Aber nicht aus dem Augenblick hervor sollen wir erkennen und uns entschließen, sondern aus der geschichtlichen Einsicht und aus dem Einblick in die dauernde Wirklichkeit der vorderasiatischen Völker, ihrer Bestrebungen und Bewegungen, denen, wo sie aus reinem, echtem und gerechtem Lebenswillen stammen, unsere nationale Sympathie gebührt. Damit die Politik, die ich meine, noch in dieser späten Stunde vor der Welt inauguriert werde, muß deutlicher ausgesprochen werden, was wir meinen und was wir wollen, vor aller Welt. Wer es hören wird, wird es hören; wir jedenfalls wollen es so laut und so deutlich sagen, als wir können. Und gleichviel, ob es gehört wird oder nicht, das Wort wird bleiben. Und darum, in diesem Sinn, lege ich Ihnen zum Schluß im Namen der Gruppe, die ich hier zu vertreten habe, der Hitachduth Hapoel Hazaïr u- Zeïre Zion, mit dem Wunsch und in der Hoffnung, daß sie der Kongreß in gleichem Geiste, im unabgeschwächt gleichen Geiste beschließen möge, folgende Kundgebung in Form einer Deklaration vor:

"In dieser Stunde, in der zum erstenmal wieder nach acht Jahren der Trennung die Vertreter des selbstbewußten jüdischen Volkstums sich versammelt haben, sei von neuem vor den Nationen des Abendlandes und denen des Morgenlandes erklärt, daß der starke Kern des jüdischen Volkes entschlossen ist, in seine alte Heimat zurückzukehren und in ihr ein neues, auf unabhängiger Arbeit begründetes Leben aufzubauen, das als organisches Element einer neuen Menschheit wachsen und dauern soll. Diesen Entschluß, den Geschlechter unserer Pioniere durch ihr Leben und Sterben bekräftigt haben, vermag keine irdische Macht zu erschüttern. Jede Gewalttat, die um seinetwillen uns angetan wird, setzt der Urkunde unseres nationalen Willens ein Blutsiegel auf.

Aber dieser nationale Wille ist nicht gegen eine andere Nationalität gerichtet. Das jüdische Volk, seit zweitausend Jahren in allen Landen eine vergewaltigte Minderheit, wendet sich nun, da es wieder als Subjekt seiner Geschicke in die Weltgeschichte eintritt, mit Abscheu von den Methoden des Herrschaftsnationalismus ab, dessen Opfer es so lange war. Nicht um ein anderes Volk zu verdrängen oder zu beherrschen, streben wir in das Land zurück, mit dem uns unvergängliche historische und geistige Bande verknüpfen und dessen heute so dünn bevölkerter Boden, zumal bei intensiver und folgerichtiger Bewirtschaftung, Raum genug für uns und für die ihn gegenwärtig bewohnenden Stämme bietet.

Unsere Rückkehr nach Erez Israel, die sich in den Formen einer stetig zunehmenden Einwanderung vollziehen muß, will kein fremdes Recht beeinträchtigen. In einem gerechten Bund mit dem arabischen Volke wollen wir die gemeinsame Wohnstätte zu einem wirtschaftlich und kulturell blühenden Gemeinwesen machen, dessen Ausbau jedem seines nationalen Glieder eine ungestörte autonome Entwicklung sichert. Unsere Kolonisation, die der Rettung und Erneuerung unseres Volkstums allein gewidmet ist, hat ja nicht die kapitalistische Ausbeutung eines Gebietes zum Ziel und dient nicht irgend welchen imperialistischen Zwecken, ihr Sinn ist die schaffende Arbeit freier Menschen auf gemeinschaftlicher Erde. In diesem sozialen Charakter unseres nationalen Ideals liegt die mächtige Bürgschaft für unsere Zuversicht, daß zwischen uns und dem arbeitenden arabischen Volke eine tiefe und dauernde Solidarität der wirklichen Interessen sich offenbaren wird, die alle von den Verwirrungen des Augenblicks erzeugten Gegensätze überwinden muß. Aus dem Bewußtsein dieser Verbundenheit wird sich in den Angehörigen beider Völker eine im öffentlichen und persönlichen Leben betätigte Gesinnung gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Wohlwollens ausbilden. Dann erst wird wahrhaft sich in geschichtlicher Größe die Wiederbegegnung der zwei Völker vollziehen."

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hagalil.com 10-05-07

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