Stroemungen im Zionismus
Von
Berthold Feiwel
In: Ost und West, Jg 2 (1902) Nr 10, S. 687-694.
So sehr viele glauben oder glauben möchten, dass der Zionismus ein
einheitliches Gebilde sei, so wenig richtig ist es. Wer die Dinge nur etwas
gründlicher betrachtet, der wird mit Staunen ein förmliches Mosaik von
zionistischen Anschauungen und Bethätigungsformen erblicken. Und es ist
durchaus keine leichte Sache, sich in diesem Mosaik zurechtzufinden. Noch
schwerer, ein Bild davon zu geben.
Wir wollen
versuchen, das, was man heute gewohnheitsmässig unter dem Begriff
"Zionismus" zusammenfasst, ein wenig zu betrachten und in möglichst
einfachen Worten Formen und Wesen der verschiedenen Arten Zionismus
darzustellen. Es soll mit Liebe geschehen, weil es ein Zionist ist, der dem
Zionismus gegenübersteht, aber auch mit der Aufrichtigkeit, die sich
gerade aus solch allerpersönlichster Anteilnahme und einer annähernden
Sachkenntnis herleitet.
Drei durch
besondere Charakteristika ausgezeichnete Strömungen des Zionismus lassen
sich vor allem anderen absondern: der politisch-diplomatische Zionismus, der
durch die Welt-Kongresse und durch die Führung Theodor Herzls repräsentiert
wird, die jüngste, aber bei weitem grösste, stärkste und anerkannteste unter
den zionistischen Bewegungen, zum zweiten der Kultur-Zionismus (man hat sich
an diese eigentümliche Bezeichnung gewöhnt), der unter dem geistigen und
persönlichen Einflüsse Achad Haam's steht, und endlich der "praktische"
Zionismus, der die russischen, deutschen, englischen etc. "Zionsfreunde",
die Anhänger der palästinensischen Klein-Kolonisation, umfasst.
Es stehen sich, also drei Gruppierungen
gegenüber, von denen die eine das national-politische, die zweite das
national-kulturelle, die dritte etwas wie ein jüdisch-sozialpolitisches
Gegenwarts- oder Nützlichkeits-Moment in den Vordergrund rückt. Kaum aber
haben wir diese Unterscheidung zu fixieren versucht, sind wir schon
gezwungen, zu erklären, dass wir durchaus keine hinreichende Grenzbestimmung
gegeben haben. Denn es giebt viele politische Zionisten, die es vor allem um
der Erhaltung und Entwicklung der Nationalkultur willen sind, und es giebt
viele Kultur-Zionisten, die durchaus und nicht nur gedanklich mit dem
politisch-palästinensischen Zionismus sympathisieren. Und man könnte endlich
viele "Chowewe-Zion" und Kleinkolonisatoren nennen, die in ihrer Thätigkeit
nur eine zweckdienlichere Form, einen leichteren Weg zur Erreichung dessen
sehen, was der kulturelle oder politische Zionismus oder beide bezwecken —
wofern sie sich nicht direkt an eine der Gruppierungen anlehnen.
Es ist unmöglich, so verlockend es wäre,
an dieser Stelle den weiteren Verzweigungen, Kombinationen und Nuancierungen
nachzuspüren, die sich aus gegnerischen oder freundlichen Berührungen der
drei Anschauungskomplexe ergeben. Wenn wir von "Strömungen im Zionismus"
sprachen, so hatten wir von vornherein die Absicht, das Thema zu beschränken
und die Untersuchung nur auf den politischen Zionismus anzustellen. Es wäre
jedoch eine Ungerechtigkeit oder eine Oberflächlichkeit, deren sich heute
viele schuldig machen, die beiden anderen Arten des Zionismus zu ignorieren.
Indem wir aber ihren Bestand feststellten, wollen wir sie im folgenden nur
heranziehen, wenn ihre Einflüsse auf den politischen Zionismus zu
charakterisieren sein werden.
Es hat lange gedauert, ehe man sich
dessen bewusst wurde, dass der politische Zionismus nur im engsten Sinne
eine einheitliche Bewegung darstelle. Viele glauben noch heute, ein
"Partei"-Ketzertum zu begehen, wenn sie von Strömungen oder Richtungen
innerhalb des Zionismus sprechen. Und viele, und nicht die Schlechtesten,
die selbst schon eine deutliche Richtung repräsentierten, zogen lange das
Kompromiss und den Verzicht einer deutlichen Betonung ihrer zionistischen
Anschauungsweise vor. Alles um der Einheit und der Einigkeit willen.
Selbstverständlich, dass eine junge Bewegung ihre Stärke in der
Geradzügigkeit und Geschlossenheit suchen muss. Aber die Frage war nur, ob
Nachgiebigkeit und Schwäche dieser oder jener Richtung eher die Einheit der
Gesamtbewegung garantiere als ein bewusster und ernster Austrag der
gegensätzlichen oder andersgearteten Meinungen. Die Frage konnte
schliesslich nur nach einem Kriterium beantwortet werden: nach der
Natürlichkeit oder Unnatürlichkeit der Richtungen.
Die Vorfrage: nicht welche, sondern ob
überhaupt Sonder-Richtungen im Zionismus natürlich sind, ist selbst für den
starrsten Programm-Dogmatiker im positiven Sinne zu beantworten. Der
politische Zionismus, der die Schädigung, die das Judentum aus der
jahrhundertelangen Abtrennung . und Sonder-Entwickelung verschiedener
Volksgruppen erfuhr, nur durch die Vereinigung in einem Gemeinwesen
beseitigen zu können erklärt, behauptet damit das Vorhandensein
differenzierter Schichten und zugleich die Unmöglichkeit ihrer vollkommenen
nationalen Vereinheitlichung im Golus, sei. es durch eine Idee, sei es durch
eine Aktion.
Damit ist die Möglichkeit einer
teilweisen Vereinheitlichung nicht geleugnet. Eine solche Einheit
zionistischen Willens wird aber nur dort zu erwarten sein, wo eine
Beeinflussung dieses Willens durch die Eigenart der Anhängerschichten weder
bedingt noch beabsichtigt ist.
Auf die Formel des politischen Zionismus
angewendet, ergibt sich sozusagen eine apriorische Einheit. Sie liegt in dem
Willen der Aufhebung des jüdischen Ausnahmszustandes durch die Begründung
eines gesicherten (das kann nur heissen: privat-, Staats- und
völkerrechtlich gesicherten) Gemeinwesens. Oder wenn wir die Fassung des
Baseler Programms wählen, so ist dieser Wille ausgedrückt in dem Leitsatze:
"Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer
öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina". Freilich muss
bemerkt werden, dass der vieldeutige Begriff: "Oeffentlich-rechtlich" diesem
Leitsatz ein Element hinzufügt, das wenigstens gedanklich dessen
Einheitlichkeit schwächt. Davon abgesehen aber ist das Prinzip einer
innerlichen Gemeinsamkeit aller politischen Zionisten durch den ersten
Programmsatz gegeben. Gleichfalls von vornherein gegeben ist auch das
Prinzip einer äusseren Gemeinsamkeit: der Wille zur zionistischen
Organisation.
Wenn es nun auch schwer fallen wird, im
politischen Zionismus noch andere, allen Schichten eigentümliche
Grundelemente zu finden, so muss doch gesagt werden, dass die beiden
genannten Momente einer äusseren und inneren Gemeinsamkeit — rein abstrakt
genommen — mit ihren starken nationalen und sozialen Werten eine genügende
treibende und schöpferische Kraft haben,. um einer grossen Bewegung als
Unterlage dienen zu können. Und nicht nur das: Wenn der auf das gemeinsame
Ziel gerichtete Wille kraftvoll und ausdauernd genug ist, so kann er in sich
selbst alle Gegensätze austragen oder alle Kämpfe gestatten, die aus jeder
durch die Schichtung der Anhängerschaft erfolgenden Spezialisierung
hervorgehen.
Diese Spezialisierung setzt im
politischen Zionismus sofort mit den Motiven ein, aus denen heraus die
einzelnen Schichten die Aufhebung des jüdischen Golus-Zustandes wünschen,
und bemächtigt sich darauf der Organisation, um ihr besondere Formen zu
geben und diese Formen dann mit besonderen Inhalten auszufüllen. Diese
Inhalte modifizieren sich — wenn die oben genannten Gemeinsamkeiten nicht
mehr in Betracht kommen — nach den nationalen,
sozialen, ökonomischen und kulturellen Motiven, aus denen der Zionismus der
einzelnen Volksschichten erwachsen ist, ebenso wie nach den auf Zweck und
Struktur des künftigen Gemeinwesens gerichteten Anschauungen.
Naturgemäss wird die Differenzierung im
Golus und nach dem Gelingen des politischen Zionismus in Palästina so lange
dauern, bis das Heimatland eine nationale Einheitlichkeit herausgebildet
haben wird, um dann wahrscheinlich einer wesensverschiedenen Differenzierung
Platz zu machen, die ein jüdisch nuanciertes Analogon zu den
Lebensäusserungen normal situierter Völker darstellen wird.
Haben wir festgestellt, dass Strömungen
innerhalb des Zionismus natürlich sind, so können wir auch behaupten, dass
Strömungen von ganz bestimmter Art natürlich und unvermeidlich sind. Diese
Behauptung zieht die Zweckdienlichkeit oder Schädlichkeit nicht in Betracht,
zieht überhaupt nichts Subjektives heran. Ganz objektiv können wir aus der
Verschiedenartigkeit der jüdischen Volksgruppen die Natürlichkeit der
Richtungen feststellen.
Erst in zweiter Linie kommen dann alle
Möglichkeiten in Frage, die sich aus dem Zusammentreffen der verschiedenen
Elemente ergeben. Das ist bereits Politik. Jetzt aber handelt es sich mehr
um eine Sichtung des zionistischen Materials.
Es kann hier nur mit einer
schlagwortartigen Charakteristik geschehen.
Drei Arten des politischen Zionismus
heben sich sofort scharf und mit deutlicher Grenzmarkierung vom Gesamtbild
der Bewegung ab. Es ist kein Zufall, dass die Scheidung, die sich ergiebt,
eine geographische ist: palästinensischer, osteuropäischer und
westeuropäischer Zionismus. (Wir können füglich den südafrikanischen und
amerikanischen Zionismus übergehen, da beide entweder die deutlichen
Kennzeichen eines transportierten ost- oder westeuropäischen Zionismus
tragen.)
Die palästinensischen
Kolonisten-Zionisten stellen relativ die weitgehendste Entwickelung der
zionistischen Anschauungsweise dar. Sie sind zum grossen Teile
osteuropäische Juden. So sind sie aus jüdischer Kultur erwachsen. Aus
Ghetto-Kultur, aber doch aus jüdischer. Viele wuchsen über diese Kultur
hinaus. Der Heroismus, mit dem sie den schweren Väterboden erkämpften, gab
ihnen sittliche und geistige Kräfte von besonderem Werte. Aber ein gut Teil
dieser Kräfte wurde durch das System der Kolonisation, das ihnen die
Freiheit und die Entfaltungsmöglichkeiten raubte und sie in die alte
Kleinheit zurückdrängte, aufgehoben, manchmal sogar verdorben und verzerrt.
So ringt jetzt in ihnen das alte Ghetto und die alte materielle Not mit der
Macht, die sie aus der jüdischen Entwickelung ihrer Persönlichkeit und aus
dem organischen Zusammenhang mit dem Stammlande gewonnen haben. Doch wie
häufig auch Rückfälle in die Ghettozeit und Ghettoanschauung mit allen ihren
Einwirkungen auf Charakter und Geist zu finden sind, eines steht fest: Es
giebt unter diesen Menschen volle Persönlichkeiten, ganze Juden und ganze
Zionisten, die ein hohes sittliches Beispiel für die Gesamtbewegung
darstellen. Diese Menschen, die in ihrer Person den Begriff der Nation
verkörpern, die alles haben: die Rasse, das Land, die Tradition, die das
Hebräische als Verkehrssprache sprechen, lehren und pflegen, sind die besten
und sichersten Elemente für die Begründung einer neuen jüdischen
Gesellschaft, — ohne dass sie natürlich bestimmend sein müssten für den Weg
der künftigen sozialen und kulturellen Entwickelung.
Der osteuropäische Zionismus
repräsentiert das grösste zionistische Kontingent und bietet zugleich in
sich ein Abbild aller freilich nicht immer entsprechend stark vertretenen
Strömungen unter den russischen Juden, also der jüdischen Volksmehrheit.
Auch er ist aus nationalem Grunde hervorgegangen. Der Zionismus ist da ein
Ergebnis der politischeu, ökonomischen, sozialen und kulturellen
Daseinsformen des Individuums und der Gemeinschaft. Jeder lebt in
sich und im Volke ein Stück Judentum. So sind diese Zionisten nicht Juden,
nur weil sie es sein wollen, sondern weil sie es sind. Wenn auch manche
Elemente dieses spezifischen Golus-Nationaljudentums ihrem Wesen nach
passiver Natur sind, durch einen Zwang geschaffen wurden und erhalten
werden, wie die Wirtschaft, der Rechtszustand, das Verhältnis zur
nichtjüdischen Gesellschaft, so haben diese Elemente doch neue positive
erzeugt, die sich mit den in Rassenanlage, Sprache, Schrift, Kultus,
Tradition u. s. w. lebendigen Volkskräften zu einem zukunftsbejahenden
Willen vereinigt haben, der eben im Zionismus seinen höchsten Ausdruck
gefunden hat. Vom Osten her kommt nicht nur die materielle, sondern auch die
nachdrücklichste ideelle Stärkung des Zionismus. Es ist durchaus nichts
Aeusserliches, wenn man die gesteigerte Opferwilligkeit und Hingabe des
osteuropäischen Zionismus hervorhebt. Sie fliessen aus dem positiven,
manchmal fast unbewusst gewordenen nationalen Lebensdrange. Darum mussten
von dort die ersten Kolonisten und zugleich die Träger einer Nationalkultur
kommen.
In sich aber ist der osteuropäische
Zionismus wieder mehrfach differenziert. Eine deutlich erkennbare Gruppe
sind die orthodoxen Zionisten. Sie sind in neuester Zeit durch eine
Vereinigung zu einer Gruppe ("Misrachi") sogar äusserlich
aneinandergeschlossen. Sie stellen sozusagen die Rückendeckung des Zionismus
dar. Für den Begriff der Nation substituieren sie den Begriff der Religion.
Ihr Anhang beginnt bei solchen, die nur aus mystischen oder
religiös-romantischen Empfindungen heraus den Zionismus begreifen können,
und endigt bei denen, die die Religion in eine gewisse Beziehung zum Leben
gebracht haben, ohne an ihren starren Formen etwas zu ändern. Indem sie den
Messianismus durch eine kluge Auslegung irdisch gemacht haben, bekämpfen sie
aus dieser Position heraus vor allem die rabbinischen Gegner äusserhalb des
Zionismus, doch auch alle, die sie innerhalb des Zionismus für ihre Gegner
halten. Vor allem sind sie die Feinde der Kultur, d. h. jeder Form moderner
Kultur, die nur an einem Steinchen des durch ihre Religionsformeln
abgegrenzten geistigen Gebietes rühren könnte. Aus einem verwandten
Empfinden heraus sind sie Gegner der sozialistischen Anschauung. In ihrer
Gegnerschaft Feind und Freund gegenüber eifernd, starr, manchmal sogar
fanatisch, sind sie für ihren Kreis und ihre Ideen oft die hingebendsten
Vertreter. In der Gesamtorganisation ist es ihnen — mehr Dank den andern —
gelungen, einen unverhältnismässig grossen Einfluss und eine
Ausnahmestellung zu erringen. Heute stellen sie als "Misrachi" vom
Standpunkte des Kongresszionismus eine illegale Gruppe dar. Sie haben die
Religion, die der Kongress aus den Diskussionen ausgeschlossen haben will,
nicht nur zum Ausgangspunkt gemacht, sondern haben sogar den Willen, den
orthodoxen Geist in den Zionismus überhaupt hineinzutragen. Erst wenn der
Kongress beschliessen wird, dass die Religion im Zionismus nicht Privatsache
sei, werden sie eine legale Gruppe sein. Im übrigen ist aber ihre
Organisationsform unwesentlich gegenüber dem Inhalte der Richtung, die sie
repräsentieren.
Eine zweite Gruppe ist dadurch
charakterisiert, dass sie in der Mitte steht zwischen der Orthodoxie, an die
sie noch immer nicht die Anlehnung verloren hat, und einem modernen
Nationaljudentum, dem sie sich oft nur schwer verschliessen kann. Obwohl sie
von klugen und gebildeten Männern geführt wird, haftet ihr doch ein der
Mehrheit ihrer Anhängerschaft entsprechendes Merkmal an, das man am besten
als "kleinbürgerlich" bezeichnen kann. In sozialer und kultureller Hinsicht
konservativ im wahren Sinne des Wortes, haben sie ihre Hingabe mehr auf das
rein Materielle gelenkt, was einen starken Einschlag eines philantropischen
Zionismus in ihre Kreise bringt. Viele gehörten ursprünglich den
"Chowewe-Zion" an, von denen im Eingang die Rede war. Es ist ihnen gelungen,
eine Beziehung zwischen "Chowewe-Zion" und politischem Zionismus
herzustellen, aber auch etwas von dem Geiste der "praktischen" Kolonisation
in die Bewegung zu tragen. Zur materiellen Stärkung des Zionismus trägt
dieser Kreis ausserordenüich viel bei. Auf den Kongressen stellen sie die
häufigsten Debatten, indem sie bald den — man muss das Wort wiederholen —
kleinbürgerlichen, bald den orthodoxen Zionismus, in der Regel aber die
westeuropäische Führung unterstützen.
Eine dritte Gruppe wird gebildet durch
die jüdische Moderne Sie ist hauptsächlich repräsentiert durch die Jugend,
allerdings eine Jugend, die im Zionismus oft viel länger thätig ist als die
älteren. Diese Jugend, wie die anderen aus dem Nationaljudentum
hervorgewachsen, hat zwei Gebiete passieren müssen, ehe sie zu ihrer
heutigen Anschauung herangereift ist: ein Stück europäischer Kultur, das sie
kennen lernte und aufnahm, beeinflusste ihre kulturelle, das
Hindurchschreiten durch die modernen sozialen Bewegungen ihre soziale
Entwicklung. So hat sie sich zu einer vollen Lebensanschauung durchgerungen,
die auf einer durchaus positiven Begründung des Zionismus beruht. Die
Erhaltung und Entwickelung der jüdischen Volksindividualität wird ebenso
wegen ihrer selbst als wegen ihrer für die Allgemeinheit wertvollen
speziellen kulturellen und sozialen Begabungen erstrebt. Diese Auffassung
ermöglicht ihnen eine zionistische Synthese zwischen Nationalismus und
Internationalismus in ihren fortgeschrittensten Formen und giebt zugleich
die Grundlagen eines individuellen Auslebens im Zionismus. Während die
Aelteren nach ihrer ganzen Anschauung und Lebensführung gezwungen sind, den
Inhalt des Zionismus für sich einzurichten, richtet sich diese Jugend in
ihrem Thun und ihrer Denkart für den Zionismus ein. Sie kann und will schon
jetzt "Zionismus leben".
Aus dieser Gruppe, die in ihren
allerletzten Ausläufern in sozialer Hinsicht einen geläuterten Sozialismus
innerhalb des Zionismus vertritt und in kultureller Hinsicht sich dem
Achad-Haamismus nähert, hat sich ein Teil zu einer geschlossenen Gruppe, der
"demokratisch-zionistischen Fraktion", vereinigt. Sie könnte man die
Avantgarde des Zionismus nennen. Fast durchaus Intellektuelle, junge
hebräische oder Jargon - Schriftsteller, absolvierte oder studierende
Akademiker. Sie suchen ihre Anhängerschaft in den Kreisen vor allem der
jüngeren Intellektuellen und in den breiten Volksmassen, um mit den einen
für die anderen einen freiheitlichen, wissenschaftlichen und auf das Volk
gegründeten Zionismus zu vertreten und zugleich die Missstände, die eine
gegenteilige Auffassung und Behandlung des Zionismus hervorgerufen hat, zu
beseitigen.
Die erste Gelegenheit zu einem solchen
Kampfe gab der letzte Kongress. Wir werden nächstens bei einem historischen
Rückblick länger bei der "Fraktion" verweilen und beschränken uns jetzt
darauf, hervorzuheben, dass in der Fraktion oder um sie herum noch einzelne
geschlossene Anschauungen zu nennen sind, die das Allgemeine des
"Fraktions"-Programms spezialisieren.
Das sind die drei deutlichsten
Strömungen im osteuropäischen Zionismus: Rechte, Centrum und Linke, wenn man
will. Natürlich giebt es dazwischen eine Menge nuancierter Elemente.
Ueber den westeuropäischen Zionismus und
die Einwirkung aller zionistischen Gruppen auf die Entwickelung des
politischen Zionismus wollen wir nächstens sprechen.
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10-05-07 |