Strömungen im Zionismus
Der Zionismus war von Beginn an eine
sehr pluralistische Bewegung. Nicht nur die allgemeinen Ideologien der Zeit,
wie etwa der Sozialismus, fanden ihre Verknüpfung, auch die speziellen
Gegebenheiten der jüdischen Nationalbestrebungen führten zu Parteibildung.
Die unterschiedlichen Ausrichtungen fanden auch in der strukturellen
Organisation ihren Widerhall. Die Texte in diesem Abschnitt spiegeln die
wichtigsten Strömungen des Zionismus.
Sozialistischer Zionismus
Sozialistisches Gedankengut hatte von
Beginn an eine wichtige Rolle im Zionismus. Von nichtjüdischen Sozialisten
als Nationalismus abgelehnt, definierten sozialistische Zionisten den
Zionismus nicht als Nationalismus im üblichen Sinne, da die "Judenfrage"
auch eine soziale sei. Das Problem der Juden der Diaspora werde auch nach
der Sozialistischen Revolution ungelöst bleiben. Die Lösung für die jüdische
Existent sei einzig die Einwanderung nach Palästina, die die Entwicklung des
Kapitalismus auch unausweichlich veranlassen werde, wie etwa
Ber Borochov
überzeugt war.
Innerhalb des sozialistischen Zionismus
gab es aufgrund unterschiedlicher Ansichten zu Konzeption und Methoden
verschiedene sozialistische Organisationen und Parteien. Zwei der großen
Jugendbewegungen,
haSchomer haZair ("Der junge Wächter") und heChalutz ("Der
Pionier"), gehörten dem sozialistischen Lager an. Der sozialistische
Zionismus war nicht nur Vorläufer der meisten israelischen
Siedlungsbewegungen und der Arbeiterpartei, auch unter den wichtigsten
Repräsentanten von
Jischuw
und Staat Israel waren sozialistische Zionisten, allen voran David Ben
Gurion.
Ber Borochov
Berl Katznelson
A. D. Gordon
Revisionismus
Der Revisionismus ist eng mit der Person
Vladimir Jabotinskys verknüpft. Er gründete 1925 die Weltunion der
Zionistischen Revisionisten und stand in scharfer Opposition zur Politik der
Zionistischen Organisation gegenüber der britischen Mandatsregierung. Zu den
Zielen des Revisionismus zählte daher harter Druck auf England. Jabotinsky
hielt an einem jüdischen Staat an beiden Seiten des Jordans fest und
plädierte für die Neugründung der jüdischen Brigade und militärische
Ausbildung für die Jugend. 1935 traten die Revisionisten aus der
Zionistischen Organisation aus und gründeten die Neue Zionistische
Organisation (1946 kehrten sie zurück).
Der Name leitet sich aus den
Bestrebungen der Organisation ab, eine Rückkehr, Revision, zu den Herzlschen
Grundlagen des politischen Zionismus zu erreichen, wie sie sie sahen.
Aus den Reihen der
Revisionisten kamen der Gründer und weitere Mitglieder der extrem rechten
Untergrundorganisationen
Etzel, sowie Mitglieder von
Lechi.
Auch wenn der Revisionismus stets eine Partei in der Opposition und
deutlichen Minderheit blieb, hatte er nachhaltigen Einfluss auf die
zionistische Bewegung.
Die Nachfolgepartei der ehemaligen
Revisionisten ist der Likud.
Vladimir Jabotinsky
Richard Lichtheim
Was ist Zionismus-Revisionismus?
Religiöser Zionismus
Unter den Gegnern des Zionismus gab es
zahlreiche orthodoxe Juden, die die Bestrebungen, einen jüdischen
Nationalstaat zu erreichten im Widerspruch zur messianischen Verheißung im
Judentum sahen. Doch Herzl hatte von orthodoxer Seite auch von beginn an
zahlreiche Unterstützer, die sich vor allem für ein mit den Geboten der
Torah übereinstimmendes Gemeinwesen sorgten. Die Wurzeln des religiösen
Zionismus liegen bei Jehuda Alkalai,
Zwi Hirsch Kalischer,
Samuel Mohilever und Naftali Zwi Jehuda Berlin.
Als Reaktion auf den Fünften
Zionistenkongress von 1901, der kulturelle Aktivitäten in das zionistische
Programm aufnahm, gründeten Rabbiner Reines und Seew Jawetz den Misrachi
("Merkas ruchani", "geistiges Zentrum"). 1904 wurde die erste Weltkonferenz
abgehalten, wo die Grundlagen des Misrachi, Einhaltung der Gebote und
Rückkehr nach Zion, festgelegt wurden.
Der Misrachi in der zionistischen
Gesamtorganisation
Gedanken beim Rückblick auf ein
Vierteljahrhundert Misrachi
Drei Epochen
Moritz Steckelmacher
Kultureller (spiritueller) Zionismus
Der Begründer dieser Strömung im
Zionismus war Achad haAm, der die Bedeutung Palästinas in seiner Funktion
als geistiges
Zentrum des Judentums verstand. Achad haAm war
jedoch davon überzeugt, dass ein jüdischer Staat die sozialen und
wirtschaftlichen Probleme der Juden nicht lösen kann,
denn ein großer Teil werde außerhalb Palästinas bleiben. Allein die geistige
Kraft des Judentums könne die Individuen zu einem nationalen Ganzen zusammen
fassen und gegen materielle und geistige Versuchungen der
Mehrheitsgesellschaften wappnen.
Das fundamentale Problem lag für Ahad
haAm darin nicht in der Krise der Juden, sondern der Krise des Judentums,
die durch den radikalen und rapiden Verfall von jüdischem Glauben und
Identität als Folge der Assimilation einherging.
Ahad haAm
Demokratische Fraktion
Zwischen 1901 und 1904 formierte sich
eine radikale Oppositionsgruppe in der Zionistischen Bewegung. Die
Mitglieder unter Führung von Leo Motzkin und Chaim Weizmann forderten die
Demokratisierung der zionistischen Einrichtungen und Kulturarbeit der
Zionistischen Organisation. Vor allem die Forderung in Bezug auf eine aktive
Kulturarbeit führte zu scharfen Auseinandersetzungen mit den religiösen
Zionisten.
Schließlich wurde auf einer Konferenz
unmittelbar vor dem Fünften Zionistenkongress 1901 von etwa 40 Delegierten
beschlossen, eine "demokratische Fraktion" zu bilden, die zwar in der
Zionistischen Organisation verbleiben, aber eigene Büros und kulturelle
Aktivitäten unterhalten sollte. Auf dem darauf folgenden Kongress trat die
"demokratische Fraktion" erstmals als geschlossener Block auf.
Das Büro der Fraktion wurde bei Chaim
Weizmann untergebracht, die Aktivitäten kreisten um die Entwicklung des
"Jüdischen Verlags" und die Gründung einer jüdischen Universität in Eretz
Israel.
Die Organisation der Gruppe war lose,
anstelle einer anberaumten Konferenz trafen sich 1904 nur elf Mitglieder,
darunter Weizmann, Martin Buber und Berthold Feiwel. Mit der Entscheidung,
sich der Opposition gegen den Uganda-Plan anzuschließen, löste sich die
Fraktion auf.
Martin Buber
Berthold Feiwel
Brith Shalom
1925 schloss sich ein kleiner
Kreis von vorwiegend deutsch-jüdischen Intellektuellen zum Brith Shalom
("Friedensbund") zur Pflege freundschaftlicher Beziehungen zur arabischen
Bevölkerung Palästinas zusammen. Zu den Mitgliedern zählten Arthur Ruppin,
Samuel Hugo Bergman, Hans
Kohn, Chaim Kalvariski und Joseph Lurie, sowie Gershom Scholem und Abraham
Katznelson.
Brit Shalom favorisierte einen
binationalen Staat in Palästina, in dem Juden und Araber gleichberechtigt
sind. 1930 erarbeiteten die Mitglieder ein Memorandum mit praktischen
Vorschlägen für eine Kooperation zwischen Juden und Arabern in Palästina,
das sie der Jewish Agency vorlegten. Die Pläne wurden abgelehnt, Brit Shalom
von den meisten zionistischen Parteien, vor allem aber von den
Revisionisten, scharf kritisiert und angegriffen.
Mitte der 30er Jahre löste
sich die Bewegung auf. Verschiedene Versuche, die Organisation
wiederzubeleben schlugen fehl. 1942 wurde "Ichud" ("Einheit") gegründet,
deren Mitglieder, Judah L. Magnes, Martin Buber, Rabbi Binyamin, Menahem
Raphael Cohen, Ernst Simon, Moshe Smilansky, Mordechai Reiner und andere,
sich ebenfalls für die jüdisch arabische Verständigung einsetzen und sich
bewußt an Intellektuelle wandte. Nach dem Tod Judah L. Magnes' fand "Ichud"
seine Fortsetzung in der Monatszeitung "Ner" ("Kerze"), die Mitte der 60er
Jahre eingestellt wurde.
Samuel Hugo Bergmann
Synthetischer Zionismus
Der Synthetische Zionismus ist
eine Verbindung zwischen politischem und praktischem Zionismus, die von
Chaim Weizmann auf dem achten Zionistischen Kongress von 1907 vorgeschlagen
wurde. Der "synthetische Zionismus" wurde zur Leitlinie der Bewegung und
verband politische Aktivität mit praktischer Arbeit in Palästina
Chaim Weizmann
Exkurs: Kritik am Zionismus
Den Abschluss dieses Abschnitts
bildet ein Text von Micha Josef Berdyczewski, der oft und ausgiebig Kritik
an den unterschiedlichen Strömungen des Zionismus äußerte. Er bezeichnet es
als "die grösste Schattenseite des Zionismus, dass er überhaupt eine Partei
gebildet hat"
Micha Josef Berdyczewski
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10-05-07 |