Achad haAam (1856 –
1927)
Achad
haAm – übersetzt mit "Einer aus dem Volk" –wurde am 5. August 1856 in Skvira,
dem Gouvernement Kiew, unter dem bürgerlichen Namen Usher Ginzberg geboren. Er
wuchs in einem wohlhabenden Elternhaus auf und erwarb sich früh Kenntnisse der
jüdischen religiösen Literatur in streng chassidischem Geist. Bei einem Besuch
in Odessa begegnete er der russischen Literatur und begann kurze Zeit später mit
dem Literatur- und Philosophiestudium, das hebräische, russische, deutsche,
französische und englische Literatur umfasste. 1884 trat er der "Choveve Zion"
bei und wurde Mitherausgeber der Zeitschrift "Hashiloach" – der Name Hashiloach
ist eine Anspielung auf die sanften Gewässer des Siloah, nach Jesaia 8,6.
Achad
haAm arbeitete als Kaufmann. 1907 siedelte er nach London über und leitete dort
die englische Filiale der bekannten russischen Teefirma Wissotzky. 1922 ging er
nach Palästina und verstarb dort 1927.
Vor dem
Hintergrund der Pogrome im Osteuropa des ausgehenden 19. Jahrhunderts
entwickelte Achad haAm seine Vorstellungen des spirituellen oder kulturellen
Zionismus. Er sprach sich für eine intensive geistige Vorbereitung des jüdischen
Volkes für die Emigration aus. Die Gründe für die Auswanderung sollten aus den
großen Ideen des Judentums selbst kommen, wovon eine der wichtigsten die der
Gerechtigkeit unter allen Menschen sei. Palästina sollte die Bedeutung eines
geistigen Zentrums des Judentums zukommen und dort auf der Basis der Gleichheit
eine gerechte Gesellschaft entstehen. So forderte er eine vorläufige Einstellung
der Ansiedlung in Palästina und alle Konzentration auf die zwar langwierigere,
aber umso fruchtbarere Vorbereitungsarbeit im Innern zu richten. Die
Grundgedanken seiner Idee fasste Achad haAm in seinem Text "Nicht
dies ist der Weg!" zusammen. Er nahm einen Standpunkt gegen den
politischen Zionismus und somit das Konzept Herzls ein.
1893
entstand der Text "Nachahmung und Assimilation".
Achad haAm sah in der Assimilation keine Zukunft für das jüdische Volk und
stellte sich gegen Tendenzen in der westeuropäischen wie auch in den oberen
Schichten der russischen jüdischen Gesellschaft. Ziel sollte eine "eigene
Scholle" sein und dieser Ort lag für ihn dort, wo er die "Seele des jüdischen
Volkes" verknüpft sah – in Zion. Jedoch könne auch dieser Ort, die neue Heimat,
die individuellen Nöte der Juden nicht beseitigen, denn ein großer Teil werde
außerhalb Palästinas bleiben. Allein die geistige Kraft des Judentums vermag es,
die Individuen zu einem nationalen Ganzen zusammen zu fassen und gegen
materielle und geistige Versuchungen der Mehrheitsgesellschaften zu wappnen.
Achad haAm stellte sich gegen schnelle Umbrüche, auch konträr zu revolutionären
Entwicklungen: wie auch die Natur keine rapiden Sprünge mache, sei auch die
Entwicklung des Geistes ein langsamer und natürlicher Prozess.
"Umwertung
aller Werte" setzt sich mit der Philosophie Friedrich Nietzsches und der
Idee des Übermenschen auseinander. Achad haAm bekämpft und analysiert diese Idee
als eine entgegen gesetzte zu einer der wichtigsten des Judentums, die die
Gerechtigkeit für alle Menschen zum Ziel hat.
In der
1912 geschriebenen "Bilanz" stellt Achad haAm
seine Ideen und Konzepte in den Kontext seiner Teilnahme am zehnten
Zionistenkongress und seiner Reise durch Palästina.
Israel
Friedländer, der Übersetzer des Werkes ins Deutsche, nennt Achad haAm einen
jüdischen Tolstoj. haAm lehnte es ab, nur als Schriftsteller oder "als Ritter
der Feder" bezeichnet zu werden, der um des Schreibens willen schreibe. Er
schreibe dann, wenn er einen Wunsch auf dem Herzen habe, dessen Realisierung ihm
notwendig erscheine. Mit seinen Gedanken und Konzepten rief er stürmische
Begeisterung wie entrüsteten Widerspruch hervor und hinterließ in diesem Sinne
tiefe Spuren.
Nicht dies ist der Weg!
Nachahmung
und Assimilation
Umwertung aller
Werte
Bilanz
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10-05-07 |