Postzionismus
Der Postzionismus ist keine
politische Bewegung. Er ist vielmehr ein Diskurs um die Zukunft des
Zionismus nach Vollendung seines ausgesprochenen Ziel, der Gründung eines
Staates für die Juden in Palästina.
"Die Zionistische Bewegung hat einen
Scheideweg erreicht", betonte der Vorsitzende der Zionistischen Exekutive
und der Jewish Agency 1996 bei der Eröffnungszeremonie des Zionistischen
Generalrates am Herzlberg. Es war Avraham Burg, der jene überraschenden und
dramatischen Worte sprach. Die Kritiker der zionistischen Bewegung würden
nur auf die Gelegenheit, ihren Nachruf anzukündigen warten, "während ihre
Unterstützer peinliches Schweigen zur Kenntnis nehmen." Drastischer
formulierte es der Historiker Moshe Zimmermann: "Es zeigte sich der wahre
Sachverhalt: Die Epoche des Zionismus ist nach hundert Jahren beendet."
Die
Ermordung
Yitzhak Rabins am 4. November 1995 läutete einen reaktionären
Prozess ein, der Bibi Netanjahu und dem Likud ein halbes Jahr später den
Wahlerfolg bescherte, die den Postzionismus betreffenden Debatten
verschärfte und immer mehr in den politischen Bereich einbezog.
Ursprünglich ist mit dem Begriff
"Postzionismus" keineswegs eine Kritik des Zionismus als grundsätzliche Idee
verbunden. Der Begriff diente zunächst zur Definition einer Ende der 80er
Jahre im akademischen Bereich entstandenen Richtung. Die sog. "neuen
Historiker" (wobei auch Soziologen und Politologen darunter sind)
stellten das bisher geltende zionistische Narrativ der Geschichtsschreibung
in Frage und legten Arbeiten zu Staatsgründung, Unabhängigkeitskrieg, Umgang
mit der Schoah, orientalischen Juden in Israels Gesellschaft und gender
studies vor. Nachdem die gesetzliche Frist die Akten dieser Zeitspanne frei
zugänglich machte, wandten sich die "neuen Historiker" erstmals der "anderen
Seite" zu. Die ersten Arbeiten erschienen in Englisch, darunter Simcha
Flapans "The Birth of Israel", "The Birth of the Palestinian Refugee Problem
1947-1949" von Benny Morris und Avi Shlaims "Collusion Across the Jordan:
King Abdullah, the Zionist Movement, and the Partition of Palestine".
Die Diskussionen verlagerten sich jedoch
bald in die israelische Öffentlichkeit, zu stark rührten die Themen der
"neuen Historiker" an Kollektivbewusstsein und Fundament Israels. "Eine
Generation von jungen Provokateuren ist angetreten, um die Grundlagen des
historischen Bewußtseins von der Vorgeschichte und den Anfängen des Staates
zu erschüttern und dadurch – das ist ihr Anspruch – die gegenwärtige
israelische Wirklichkeit zu verändern", schreibt Barbara Schäfer in der
Einführung ihres Bandes "Historikerstreit in Israel".
Zu den postzionistischen, oder als
solche bezeichneten Akademikern gehören u.a. Tom Segev, Simcha Flapan,
Baruch Kimmerling und
Benny
Morris. Avi Shlaim und Ilan Pappé werden ebenfalls oft als
Postzionisten bezeichnet, sehen sich selbst jedoch als Antizionisten.
Mit der Politisierung des Begriffes
verwischen die Grenzen zwischen fundierter akademischer Forschungsarbeit und
ideologie-basierter Propaganda zunehmend. Dabei kam es auch zu Fällen, in
denen Postzionisten keine Mythen aufgedeckt, sondern selbst geschaffen
haben, wie etwa im Fall des angeblichen Massakers an der arabischen
Bevölkerung in Tantura (siehe
Ilan Pappé).
Der Begriff "Postzionist" wird von der Rechten gleichzeitig als Denunziation
gebraucht und mit "Israel-Hasser" gleichgesetzt.
Die folgenden Autoren
stellen eine Auswahl aus dem breiten Spektrum sog. post-zionistischer
Autoren dar, wobei mit Avraham Burg zunächst ein Politiker zu Wort kommt,
gefolgt von drei Akademikern unterschiedlicher Ausrichtung.
Avraham Burg
Tom Segev
Tanya Reinhart
Ilan Pappé
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10-05-07 |