Sechstes Kapitel
DIE OUVERTÜRE WAR SCHON FAST VORÜBER, ALS SIE IN DIE LOGE traten. Die
Damen beeilten sich, Platz zu nehmen; denn schon sahen viele aus dem
Zuschauerraume herauf. Friedrich und Kingscourt waren von der Pracht dieses
Opernhauses überrascht. Ja, der Bau hatte aber auch fünf Jahre gedauert und war
von der neuen Gesellschaft subventioniert worden. Ein gewöhnliches Theater stand
in der Regel binnen Jahresfrist vollendet da, wenn die Genossenschaft nur erst
vereinigt war.
In der Loge nebenan saßen zwei geputzte, mit zu viel Edelsteinen geschmückte
Damen, eine bejahrte und eine junge, und zwischen ihnen ein älterer Herr. Diese
grüßten auffallend devot, und es kam Friedrich vor, wie wenn Littwaks den Gruß
eher ablehnten als erwiderten. Die ältere Dame und den Herrn glaubte er schon
irgendwo gesehen zu haben, in einer fernen Zeit.
"Wer sind die Leute?" fragte er David leise.
Dieser zuckte die Achseln: "Ein Herr Laschner mit Frau und Tochter."
Laschner! Der reiche Börsenmann von Wien. Friedrich sah plötzlich den Abend von
Ernestine Löfflers Verlobung vor sich. Es war eine schmerzliche und komische
Erinnerung.
"Das muß ich sagen: die hätte ich hier nicht erwartet."
"Sie sind eben auch nachgekommen, als unser Haus fertig war," erklärte David.
"Man findet ja jetzt hier dieselben Bequemlichkeiten wie in den Großstädten
Europas. Man findet aber auch, wenn man ein Laschner ist, dieselbe Verachtung
wieder, die man dort genoß. Wir haben das Geld nicht abgeschafft, mein lieber
Kingscourt — aber es ist bei uns nicht alles. Die Mitglieder der neuen
Gesellschaft sind wirtschaftlich so frei geworden, daß der ehemalige widerliche
Respekt vor den reichen Leuten naturgemäß geschwunden ist. Herr Laschner kann
Geld haben, kann ausgeben, wieviel er will — den Hut zieht darum noch niemand
vor ihm. Ja, wenn er ein anständiger Mensch wäre, so würden wir ihn gern gelten
lassen. Was wir von jedem fordern, ist das Gefühl und die Betätigung der
Solidarität. Dieser Mensch aber hat sich nicht einmal bemüht, Mitglied der neuen
Gesellschaft zu werden. Er wollte die Pflichten unserer Gemeinschaft nicht auf
sich nehmen. So lebt er auch hier als ein Fremder. Er kann sich frei bewegen wie
jeder andere Fremde; nur genießt er keine Achtung. Das müssen Sie begreifen."
"Ob ich das begreife !" murmelte Kingscourt und blickte mit Geringschätzung
nach der Loge des Protzen.
Der Vorhang ging auf. Man sah Volksszenen in Smyrna und den kommenden Propheten
im Kreise seiner ersten Anhänger. Kingscourt bat seine Nachbarin Mirjam um
Aufschluß über den Helden der Oper.
Das junge Mädchen sprach im Flüstertone: "Dieser Sabbalai Z'wi war ein
falscher Messias, der am Anfange des siebzehnten Jahrhunderts in der Türkei
auftrat. Es gelang ihm, eine große Bewegung unter den Juden des Orients
hervorzurufen, aber später fiel er selbst vom Judentume ab und endete
schmählich."
Kingscourt nickte verständnisvoll: "War also 'n janz miserabler Kerl. Da kann
man natürlich 'ne Oper draus machen."
Die Szene stellte den Platz vor der Synagoge zu Smyrna dar. Die Partei
der gegen Sabbatai aufgebrachten Rabbiner sang ergrimmte Chöre, nachdem
der falsche Messias mit seinen Freunden abgegangen war. Ein junges
Mädchen, das für Sabbatai schwärmte, wagte es, der aufgeregten Menge mit
einer großen Arie entgegenzutreten. Da kehrte sich die Wut der Leute
wider die Verteidigerin und es wäre ihr ohne das Dazwischentreten des
zurückkehrenden Propheten gewiß etwas Schlimmes angetan worden. Selbst
auf die Feinde übte die Persönlichkeit des Volksverführers eine Macht
aus. Die Erbitterten wichen vor ihm scheu zurück. Das Mädchen warf sich
ihm zu Füßen. Er hob sie gütig auf und sang mit ihr, wie das in Opern zu
geschehen pflegt, ein Duett. Sobald dieses zu Ende war, erfolgte der
effektvolle Aktschluß. Gegen Sabbatai wurde der rabbinische Bann
ausgesprochen, und im Finale erklärte der Messias seine Absicht, Smyrna
in Begleitung seiner Freunde zu verlassen. Das junge Mädchen flehte ihn
an, sie mitzunehmen; sie wollte ihm folgen und ihm dienen, wo immer hin
er seine Schritte lenke. Und der Vorhang fiel.
Die kleine Gesellschaft in Littwaks Loge plauderte im Zwischenakte weiter
über den farbigen Helden dieser Oper.
"Der Schwindler wird es jewiß zu was bringen," sagte Kingscourt; "das kann ich
mir denken."
Frau Sarah meinte: "Ursprünglich scheint er ein Schwärmer gewesen zu sein. Erst
als er den Zulauf der Gläubigen hatte, wurde er unehrlich.
Mirjam zitierte lächelnd Goethes Wort: "Jeglichen Schwärmer schlagt mir ans
Kreuz im dreißigsten Jahre — kennt er nur einmal die Welt, wird der Betrogene
der Schelm."
"Merkwürdig ist nur," bemerkte Friedrich, "daß solche Abenteurer immer wieder
Glauben finden konnten."
David entgegnete: "Mir scheint, das hat einen tiefen Grund. Das Volk glaubte
nicht, was sie sagten, sondern sie sagten, was das Volk glaubte. Sie kamen einer
Sehnsucht entgegen. Nein, noch richtiger: sie kamen aus der Sehnsucht hervor.
Das ist es. Die Sehnsucht macht den Messias. Nun müssen Sie denken, was das für
arme dunkle Zeiten waren, in denen ein Sabbatai oder seinesgleichen erschienen.
Unser Volk war noch nicht imstande, sich auf sich selbst zu besinnen, und da
berauschte es sich an solchen Gestalten. Spät erst, am Ende des neunzehnten
Jahrhunderts, als schon alle anderen zivilisierten Völker ihr Selbstbewußtsein
erlangt hatten und es betätigten, kam auch unser verstoßenes Volk zu der
Erkenntnis, daß es das Heil nur von der eigenen Kraft, und nicht von
phantastischen Wundertätern erwarten dürfe. Nicht eine einzelne Person, wohl
aber die erwachte und rührige Volkspersönlichkeit müsse das Erlösungswerk
vorbereiten. Auch die Frommen sahen endlich ein, daß in dieser Auffassung nichts
Gottwidriges enthalten sei. Gesta Dei per Francos, hieß es einst bei den
Franzosen — Gottes Taten durch die Juden! sagen unsere echten Frommen, die sich
nicht durch parteiische Rabbiner verhetzen lassen. Welcher Werkzeuge sich Gott
für seine unerforschlichen Zwecke bedienen will, das steht bei ihm. So war das
geklärte Raisonnement unserer Frommen, als sie sich dem nationalen Werke
begeistert anschlössen. Und so hat sich das jüdische Volk wieder erhoben."
"Bravo !" brummte Kingscourt. ' In diesem Augenblick wurde an die Logentür
geklopft. Auf Davids "Herein !" schob sich mit unterwürfigem Lächeln ein
befrackter graubärtiger Herr in die Loge. Es war derselbe, den Friedrich bei der
Ankunft auf dem Hafendamme gesehen hatte, Herr Schiffmann aus dem Cafe
Birkenreis.
"Ich bin so frei, Herr Littwak," sagte er entschuldigend. "Ich hat' von unten
gesehen hier oben einen alten Bekannten. Ich weiß nicht, ob der Herr Doktor sich
noch kann erinnern an mich."
"Gewiß, Herr Schiffmann !" lächelte Friedrich und streckte ihm die Hand
entgegen.
"Merkwürdig, soll ich so leben ! Sie sind also nicht gestorben?" "Es scheint
nicht... Und Sie haben mich gleich wiedererkannt?"
"Auf Ehre, nein. Es ist mir jemand zu Hilfe gekommen. Eine Dame, die Sie' einmal
gut gekannt haben. Raten Sie, wer?" Er lächelte vielsagend.
Friedrich erschrak. Er ahnte plötzlich, wer es war, doch wagte er nicht,
ihren Namen auszusprechen.
"Nu? Können Sie nicht raten, Herr Doktor? Haben Sie Ihre alten Freunde und
Freundinnen vergessen?"
Friedrich sagte ein wenig rauh: "Ich weiß nichts von Freunden, die ich hier habe
— außer diesen da."
"Sie hat den Anfangsbuchstaben Ernestine!" schmunzelte Schiffmann.
"Wie? Fräulein Löffler?"
"Nein, Frau Weinberger! Sie werden doch wissen? Sie waren doch bei der
Verlobung. Richtig, es war das letztemal, was ich Sie, Herr Doktor, gesehen
hab'. Gleich drauf sein Sie verschwunden."
"Ja, ja, ich entsinne mich. Und Fräulein — Frau Weinberger lebt auch hier?"
"Freilich! Da unten sitzt sie, neben mir. Ich werd" sie Ihnen zeigen..." Er
neigte sich dicht an Friedrichs Ohr, so daß die anderen, die in den
Zuschauerraum hinausblickten, ihn nicht hören konnten: "Unter uns gesagt, es
geht ihr nicht am besten. Ihr Mann, der Weinberger, is doch ein Schlemihl. In
Brünn hat er Pleite gemacht, und dann war er in Wien Agent, und zum Schluß is er
da hergekommen, aber auch als Schlemihl. Wenn ich mich nicht hätt' angenommen um
sie, so möchten sie gut ausschauen. Und Sie wissen doch, das war gewöhnt an
seidene Kleider und Logen und Bälle. Jetzt, wenn ich ihr nicht manchesmal
Theaterkarten schicken möcht', könnt' sie zu Haus sitzen und Trübsal blasen. Es
ändern sich die Zeiten."
Friedrich war von diesem Gerede angeekelt und wollte Schiffmanns
vertraulichen Mitteilungen ein Ende machen: "Es würde mich allerdings
interessieren, Frau Ernestine zu sehen. Wo sitzt sie?"
"In der vorletzten Reihe, am Eck. Wenn Sie sich vorbeugen, können Sie sie
sehen. Übrigens geh' ich jetzt hinunter. Wenn Sie mich auf meinem Platz werden
sehen, neben mir sitzt ihre Tochter und dann sie... Es war mir ein besonderes
Vergnügen, Herr Doktor. Sie bleiben doch hier bei uns, hoffentlich? Jedenfalls
längere Zeit?"
"Ich weiß nicht. Es hängt von den Umständen ab, Herr Schiffmann."
"Also schön ! Wenn Sie mich wünschen, brauchen Sie mich nur per Telephon
rufen zu lassen... Empfehle mich allerseits bestens, meine Damen und Herren."
Er schob sich seitlich, wie er gekommen war, zur halbgeöffneten Logentür
hinaus.
"Den mag ich nun wieder gar nicht," bemerkte Kingscourt halblaut zu
Friedrich, der die Achseln zuckte.
Der zweite Akt begann. Sabbatai hielt Hof in Ägypten. Die Szene zeigte ein
üppiges Fest mit Gesängen und Tänzen. Aber Friedrich sah und hörte nicht viel
davon. Er war in alte Träume versunken. Dort, neben Schiffmann saß sie. Zuerst
unterlag er einer wunderlichen Täuschung. Ernestine Löffler sah noch genau so
aus, wie vor zwanzig Jahren. Dieselben jungen feinen Züge, dieselbe zarte
Gestalt. War es möglich, daß zwanzig Jahre sie so gar nicht verändert hatten?
Aber dann sah er seinen Irrtum ein. Dieses junge Mädchen war nicht Ernestine,
sondern deren Tochter. Frau Weinberger war die fette, verblühte, in allzu grelle
Farben gekleidete Dame auf dem Nebensitze. Sie sah auch herauf, lächelte
einladend und nickte lebhaft mit dem Kopfe, als Friedrich sich vor ihr
verneigte.
In diesem Augenblick zerfiel etwas in Staub, was zwanzig Jahre überdauert
hatte. In der Einsamkeit von Kingscourts Insel hatte er an Ernestine
gelegentlich mit Wehmut zurückgedacht, sein erster Groll war milderen Stimmungen
gewichen, und zum Schluß war diese ganze Liebe in verdämmernde Rosenfarben
getaucht. Aber wenn er von ihr träumte, sah er sie in der Gestalt jener Zeit.
Den natürlichen Vorgang des Alterns erblickte er nun plötzlich in einem
Ergebnisse, das ihn betroffen machte. Er empfand Scham und auch Erleichterung.
Um dieses Weib hatte er sich gegrämt.
War es möglich?
Er wurde aus seinem Sinnen von einer warmen, lieblichen Stimme aufgeweckt.
"Wie hat es Ihnen gefallen?" fragte Mirjam.
"Gott sei Dank, daß es vorbei ist !" gab er zerstreut zur Antwort.
"Wie? So schlecht fanden Sie den zweiten Akt?"
Er war verlegen: "Nein, ich meinte nicht den zweiten Akt, Fräulein Mirjam!
Ich mußte an etwas Altes denken, das ich noch für lebend hielt. Es ist aber
tot."
Sie sah ihn ein wenig erstaunt an und fragte nicht weiter.
Ein fremder Herr war in die Loge getreten. Er wurde vorgestellt: Herr Dr.
Werkin, Sekretär der Präsidentschaft. Es war ein schmächtiger Mann mit kurzem
braun und grauem Barte, hinter funkelnden Brillengläsern ein Paar forschender
Augen. Dr. Werkin kam mit einem Gruße des Präsidenten, der die Herren Kingscourt
und Löwenberg in seine Loge bat.
Kingscourt war verblüfft: "Uns! Was ist das für'n Präsident? Und wieso kennt
er uns arme Wüstenpilger?"
David erklärte lächelnd: "Der Präsident unserer neuen Gesellschaft. Er sitzt
dort drüben in der ersten Loge, der alte Herr mit dem schneeweißen Barte."
Sie blickten hinüber.
"Alle Wetter — mir ist auch, als ob ich ihn kennte! Woher nur?" sagte
Kingscourt.
Friedrich erinnerte sich: "Der Augenarzt von Jerusalem — Doktor ..."
"Doktor Eichenstamm !" ergänzte David. "Er ist der Präsident, den wir uns
gewählt haben."
"Und der hat uns nach zwanzig Jahren wiedererkannt?" staunte Kingscourt
noch immer.
Dr. Werkin sagte: "Seine Tochter hat die Herren erkannt und den
Präsidenten auf Sie aufmerksam gemacht."
David wandte sich an den Sekretär: "Darf ich mitkommen, Herr Doktor?"
"Gewiß, Herr Littwak. Der Präsident möchte von Ihnen etwas über Ihren Kampf mit
dem Geyer hören."
Sie ließen sich von Dr. Werkin nach der Präsidentenloge führen. In dem eleganten
kleinen Salon, der durch einen Türvorhang vom offenen Teile der Loge getrennt
war, erwartete sie der alte Präsident stehend, auf einen Stock gestützt.
"Welch ein Wiedersehen, meine lieben Herren, nicht wahr?" sprach der Alte mit
leise zitternder Stimme und reichte einem nach dem anderen die freie Hand.
"Ja, hol' mich der Deibel, Herr Präsident, wenn ich das alles erwartet habe."
"Wir wollen uns setzen, meine lieben Herren - ich bin nicht mehr sehr rüstig,
Sie sehen!" lächelte der Präsident und sank in den Lehnstuhl, den ein Diener
heranschob. "Ja, ja — für unser Volk ist dies jetzt die bessere Zeit, aber für
mich war es jene. Sie wissen: senectus ipsa morbus... Nun, wie es kommt, so muß
es uns Menschen recht sein."
Dann deutete er auf die neben ihm stehende Dame, die sehr einfach in schwarze
Seide gekleidet war: "Meine Tochter Doktor Sascha hat Sie erkannt und mich an
den Tag von der Klagemauer erinnert. Ach, das ist weit, meine lieben Herren !...
Ja, ja, die einstige Klagemauer !"
"Die einstige?" sagte Friedrich. "Ist sie auch nicht mehr? Nicht einmal
dieser letzte Rest?"
Der Präsident betrachtete ihn kopfschüttelnd: "Sie waren wohl noch nicht in
Jerusalem, da Sie so fragen?" David näherte sich bescheiden: "Nein, Herr
Präsident ! Die Herren sind erst angekommen. Sie haben noch sehr wenig sehen
können."
Der Präsident legte dem Sprecher freundlich die Hand auf den Arm: "Ich freue
mich, Sie zu sehen, mein lieber Littwak. Ich freue mich immer über Sie,
besonders jetzt. Halten Sie nur aus in dem Kampfe! Sie haben recht, Geyer hat
unrecht. Mein letztes Wort an unsere Juden wird sein: Der Fremde soll sich bei
uns wohl fühlen ! Und Sie, Littwak, Gott erhalte Sie so, wie Sie sind... Sie
haben noch wenig von unserem Lande kennengelernt, meine lieben Herren? O doch.
Sie kennen einen unserer Besten. Auf diesem David Littwak da bin ich stolz, wie
wenn ich etwas dafür könnte, daß er so tüchtig und rechtschaffen ist."
David war blutrot geworden. Er senkte die Augen wie ein Knabe und stammelte;
"Herr Präsident !..."
"Lassen Sie es sich gefallen, Littwak, daß ich Sie ins Gesicht lobe. Ich bin ein
alter Mann und will von Ihnen nichts erschmeicheln ... Sehen Sie, meine lieben
Herren aus der Fremde: ich bin die Welle, die geht, und er ist die Welle, die
kommt... Gib mir auch ein Täßchen Tee, Sascha !"
Der Tee wurde nach russischer Art serviert. Als die Herren im Laufe des
Gespräches erwähnten, daß sie zwanzig Jahre fern von der Kulturwelt gelebt
hätten, meinte Dr. Sascha:
"Tut es Ihnen nicht leid um die versäumte Zeit? Sie hätten an so viel Großem
mitwirken, so vielen Menschen Gutes erweisen können."
"Nee, gar nicht leid, Fräulein Doktor !" erklärte Kingscourt. "Wir sind zwei
ausgepichte Menschenfeinde. Wir wollen niemandem Gutes tun, als uns selbst. Das
ist unser olles Programm. Was, Fritze?"
"Sie scherzen !" sagte Sascha darauf. "Ich verstehe wohl, daß Sie scherzen.
Gutes tun, ist doch ein Glück, dem nichts anderes gleichkommt."
David sprach: "Fräulein Sascha redet aus Erfahrung, denn sie kennt dieses
Glück. Sie leitet die größte Augenklinik der Welt. Wenn Sie es erlauben,
Fräulein Doktor, will ich die Herren in Ihre Anstalt führen, sobald wir nach
Jerusalem kommen. Dort ist schon vielen Menschen das Augenlicht gerettet oder
wiedergegeben worden. Es war eine ungeheure Wohltat für die orientalischen
Länder. Patienten kommen aus ganz Asien und Nordafrika. Der Segen, der von
unseren Heilanstalten wie ein Strom ausgegangen ist, hat uns hier in Palästina
und in den Nachbarländern noch mehr Freunde gemacht, als alle unsere technischen
und industriellen Einrichtungen."
Fräulein Sascha wehrte das Lob ab: "Herr Littwak überschätzt meine geringen
Leistungen. Ich habe nichts Neues gemacht. Aber wir haben einen großen Mann im
Lande, das ist Steineck, der Bakteriologe. Das Institut Steineck müssen Sie
kennen lernen, da werden Sie Ehrfurcht empfinden."
"Haben Sie schon einen Reiseplan, meine lieben Herren?" fragte der alte Dr.
Eichenstamm.
"Zunächst will ich meine Gäste nach Tiberias führen, Herr Präsident. Wir fahren
morgen zu meinen Eltern."
"Zum Pessachfeste, nicht wahr?" sagte der Präsident. "Grüßen Sie Ihre Eltern von
mir, Littwak! Und wenn die Herren nach Jerusalem kommen, bringen Sie sie auch in
mein Haus. Ich rechne darauf."
Er reichte wieder jedem der Herren die Hand, und sie nahmen Abschied, weil
die hereindrängenden Klänge des Orchesters den Beginn des dritten Aktes
anzeigten.
Als sie nun durch das leere Foyer schritten, rief Kingscourt: "Scheint ein
braver Kerl zu sein, euer Präsident. Aber 'n bißchen alt und gebrechlich. Warum
habt ihr euch gerade den ausgesucht?"
"Das kann ich Ihnen mit einem Worte sagen, Mr. Kingscourt," erwiderte David.
"Wir haben ihn gewählt, weil er es nicht wollte."
"Oho, das ist noch schöner."
"Ja, wir haben einen Grundsatz bei unseren Weisen gefunden: Die Ehren gebe man
dem, der sie nicht sucht!"