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Grundlagentexte zum Zionismus
ALTNEULAND -
Der utopische Roman von Theodor Herzl
ERSTES BUCH:
Ein gebildeter und verzweifelter
junger Mann
Sechstes Kapitel
SIE VERBRACHTEN EINIGE TAGE
IM ALTEN LANDE DER JUDEN. Von Jaffa hatten sie einen unangenehmen
Eindruck. Die Lage am blauen Meere wohl herrlich, aber alles zum Erbarmen
vernachlässigt. Die Landung in dem elenden Hafen mühselig. Die Gäßchen von
den übelsten Gerüchen erfüllt, unsauber, verwahrlost, überall buntes
orientalisches Elend. Arme Türken, schmutzige Araber, scheue Juden lungerten
herum, alles träg, bettelhaft und hoffnungslos. Ein sonderbarer Moderduft,
wie von Gräbern, beengte einem das Atmen.
Kingscourt und Friedrich
beeilten sich auch fortzukommen. Sie fuhren auf der schlechten Eisenbahn
nach Jerusalem. Auch auf diesem Wege Bilder tiefster Verkommenheit. Das
flache Land fast nur Sand und Sumpf. Die mageren Äcker wie verbrannt.
Schwärzliche Dörfer von Arabern. Die Bewohner hatten ein räuberhaftes
Aussehen. Die Kinder spielten nackt im Straßenstaube. Und in der Ferne des
Horizonts sah man die entwaldeten Berge von Judäa. Der Zug fuhr dann durch
öde Felsentäler. Die Abhänge verkarstet, wenig Spuren einer einstigen oder
gegenwärtigen Kultur.
"Wenn das unser Land ist,"
sagte Friedrich melancholisch, "so ist es ebenso heruntergekommen wie unser
Volk."
"Ja, es ist einfach
scheußlich, geradezu polizeiwidrig," erklärte Kingscourt. "Und doch ließe
sich da viel machen. Aufforsten müßte man. So eine halbe Million junger
Riesentannen, die schießen hoch wie Spargel. Das Land braucht nur Wasser und
Schatten, dann hätte es noch eine Zukunft, wer weiß wie groß".
"Wer soll da Wasser und
Schatten herbringen?"
"Die Juden,
Kreuzschockschwerenot!"
Es war Nacht, als sie in
Jerusalem ankamen, eine wundersame Mondnacht.
"Donnerwetter, ist das schön!"
schrie Kingscourt. Der Wagen, in dem sie vom Bahnhof nach dem Hotel fuhren,
mußte auf seinen Befehl halten. Er herrschte den Lohndiener an: "Sie können
auf dem Bock bleiben und dem Kamel von einem Kutscher sagen, daß er langsam
hinter uns nachfahren soll. Wir gehen ein Stück zu Fuß, Doktor, wollen Sie?
... Wie heißt diese Gegend?"
Der Lohndiener antwortete
demütig: "Das Tal von Josaphat, gnädiger Herr." "Hol" mich der Deibel, das
gibt es also wirklich? Das Tal von Josaphat! Ich glaubte, das sei nur so 'ne
Sache in der Bibel. Hier ist nu unser Herr und Heiland herumgegangen. Was
sagen Sie dazu, Doktor?... Ach so! Na ja, aber Ihnen muß das doch auch etwas
sagen? Diese alten Mauern, dieses Tal..."
"Jerusalem!" sagte Friedrich
mit leise bebender Stimme halb vor sich hin. Er wußte sich gar nicht zu
erklären, warum ihn der Anblick dieser unbekannten Stadtumrisse derart
ergriff. Erinnerungen vielleicht an Worte der frühen Kindheit? Gebetstellen,
die des Vaters Stimme gemurmelt hatte? Die abendliche Weihe des
verschollenen Pessachfestes zog ihm durch die Seele. Einer der wenigen
hebräischen Satze, die er noch wußte, klang in ihm auf: LeSchonoh haboh
beJruscholajim. — Übers Jahr in Jerusalem! ... Und er sah sich plötzlich als
kleinen Knaben an der Seite seines Vaters zum Tempel gehen. Ach, der Glaube
war tot, die Jugend war tot, der Vater war tot — Und vor ihm ragten die
Mauern von Jerusalem in märchenhaftem Mondesglanz. Heiß strömte es ihm in
die Augen. Es überwältigte ihn. Er blieb stehen, und die Tränen flössen ihm
langsam über die Wangen.
Kingscourt erstickte mehrere
Deibel in seiner Kehle, winkte dem nachfahrenden Kutscher gewaltig zu,
stillzuhalten, und er selbst trat lautlos einen Schritt hinter Friedrich
zurück, um dessen wehmütige Andacht nicht zu stören.
Mit einem Seufzer erwachte
Friedrich aus der Bezauberung. "Verzeihen Sie, Mr. Kingacourt," sagte er ein
wenig beschämt "Ich habe Sie da warten lassen. Es war — es ist mir jetzt so
eigen zumute. Ich weiß gar nicht, was das ist."
Kingscourt aber schob seinen
Arm unter den des jungen Mannes und sagte mit ungewöhnlich weicher Stimme:
"Sie, Friedrich Löwenberg, ich habe Sie gern!" Und so ging in großer
Mondnacht ein Christ mit einem Juden Arm in Arm der alten heiligen Stadt
Jerusalem zu...
Weniger entzückend war der
Anblick Jerusalems bei Tage. Geschrei, Gestank, ein Geflirr unreiner Farben,
ein Durcheinander zerlumpter Menschen in den engen dumpfen Gassen, Bettler,
Kranke, hungernde Kinder, kreischende Weiber, heulende Händler. Tiefer
konnte das einst so königliche Jerusalem nicht sinken.
Kingscourt und Friedrich
besichtigten die berühmten Plätze, Bauten und Ruinen. Sie kamen auch in das
traurige Gäßchen der Klagemauer. Der widerliche Anblick der geschäftsmäßig
betenden Bettler belästigte sie.
"Sie sehen, Mr. Kingscourt,"
sagte Friedrich, "wir haben uns wirklich zu Tode gestorben. Vom jüdischen
Reiche ist nichts mehr übrig als ein Stückchen Tempelmauer, und ich kann in
meinem Gemüte bohren so viel ich will, mit diesen kleinen verkommenen
Industriellen der Nationaltrauer habe ich nichts gemein."
Er hatte das laut gesagt, ohne
zu bemerken, daß ihn auch andere hören konnten. Außer den Bettelbetern und
Fremdenführern befand sich in dem Augenblicke noch ein dritter Herr in
europäischer Kleidung vor der Klagemauer. Dieser sagte in fremdartig
betontem, aber gebildetem Deutsch: "Mein Herr, nach Ihren Worten scheinen
Sie ein Jude oder doch jüdischer Abstammung zu sein." "Ja," .antwortete
Friedrich ein wenig verwundert.
"Dann gestatten Sie mir
vielleicht," fuhr der Fremde fort, "daß ich Ihren Irrtum berichtige. Von der
jüdischen Nation ist mehr übrig geblieben als die alten Quadern dieses
Mauerstückes und als die armen Schlucker hier, die freilich kein schönes
Handwerk betreiben. Sie dürfen die jüdische Nation in heutiger Zeit weder
nach ihren Bettlern noch nach ihren Reichen beurteilen." "Ich bin kein
Reicher," meinte Friedrich.
"Ich sehe, was Sie sind: ein
Fremder Ihrem Volke. Wenn Sie einmal zu uns nach Rußland kämen, würden Sie
erkennen, daß es noch eine jüdische Nation gibt. Wir haben noch eine lebende
Überlieferung, eine Liebe zur Vergangenheit und einen Glauben an die
Zukunft. Bei uns sind die Besten und Gebildetsten dem Judentume als einer
Nation treu geblieben. Wir wollen zu keiner anderen gehören. Wir sind, was
unsere Väter waren."
"Das ist recht," rief
Kingscourt. Friedrich zuckte leicht die Achseln, sprach aber noch einige
höfliche Worte mit dem Unbekannten, dann gingen sie. Als sie am anderen Ende
der Gasse waren und um die Ecke bogen, blickten sie zurück. Der russische
Jude stand noch dort. Er war in ein stummes Gebet vor der Klagemauer
versunken.
Abends, in dem englischen
Hotel, in dem sie wohnten, sahen sie ihn wieder. Er saß bei Tische neben
einer jungen Dame, offenbar seiner Tochter. Nach dem Essen traf man sich in
der großen Halle. Das Gespräch von Vormittag wurde zwanglos wieder
aufgenommen. Der Russe nannte seinen Namen: Dr. Eichenstamm. "Ich bin meines
Zeichens Augenarzt. Meine Tochter auch".
"Wie? Das Fräulein ist 'n
Doktor?" fragte Kingscourt. "Ja, sie hat bei mir und nachher in Paris
studiert. Sie ist jetzt meine Assistentin. Ein ganz gelehrtes Haus, meine
Sascha!"
Das Fräulein Doktor errötete
bei dem Lobe. "Aber Papa!" sagte sie abwehrend. Dr. Eichenstamm fuhr sich
mit der Linken über den langen grauen Kinnbart: "Was wahr ist, kann man
sagen. Wir sind auch nicht nur zum Vergnügen hier, meine Herren. Wir
beschäftigen uns mit den Augenkrankheiten. Leider gibt es deren genug. Der
Schmutz und die Verwahrlosung rächen sich. Alles liegt im argen. Und wie
schön könnte es sein. Das Land ist ja ein goldenes Land."
"Dieses Land?" sagte Friedrich
ungläubig. "Die Geschichte von Milch und Honig ist doch nicht mehr wahr!"
"Sie ist immer wahr!" schrie Eichenstamm begeistert "Nur die Menschen müssen
da sein, dann ist alles da."
"Nee! Von Menschen ist gar
nichts zu erwarten," erklärte Kingscourt mit Entschiedenheit.
Doktorin Sascha wandte sich an
ihren Vater. "Du solllest den Herren raten, die Kolonien zu besichtigen."
"Was für Kolonien?" erkundigte sich Friedrich.
"Unsere jüdischen
Ansiedlungen," antwortete der alte Herr. "Auch davon wissen Sie nichts, Herr
Doktor? Es ist doch eine der merkwürdigsten Tatsachen im modernen Leben der
Juden. In verschiedenen Städten Europas und Amerikas haben sich
Gesellschaften gebildet, die so genannten Liebhaber von Zion, mit dem Zweck,
hier in unserem alten Lande die Juden zu Ackerbauern zu machen. Es gibt
schon eine Anzahl solcher jüdischer Dörfer. Auch einige reiche Wohltäter
haben der Sache Geld zugewendet. Unser alter Boden trägt wieder Früchte.
Besuchen Sie diese Niederlassungen, bevor Sie Palästina verlassen."
Kingscourt brummte: "Können
wir ja machen, wenn Sie Lust haben, Löwenberg." Friedrich bejahte schnell.
Am ändern Tag unternahmen sie
in Gesellschaft Eichenstamms und Saschas einen Ausflug nach dem Ölberge. Vor
der Höhe kamen sie an dem eleganten Hause einer englischen Dame vorbei.
"Sie sehen," sagte der Russe,
"daß man auf der alten Erde auch neue Paläste errichten kann. Das ist ein
vornehmer Gedanke, hier zu wohnen. Wäre auch mein Traum."
"Oder wenigstens eine
Augenklinik," meinte Doktor Sascha mit feinem Lächeln.
Vom Ölberge aus bewunderten
sie die hügelreiche Stadt, die steinernen Wellen der Berge im weiten
Umkreise bis an das Tote Meer. Friedrich wurde nachdenklich.
"Schön muß Jerusalem einst
gewesen sein! Vielleicht haben unsere Väter diese Stadt darum nicht
vergessen können. Vielleicht wollten sie darum immer zurückkehren?"
Eichenstamm schwärmte: "Mich
erinnert es an Rom. Auf Hügeln könnte man abermals eine Weltstadt erbauen,
etwas Herrliches. Denken Sie sich den Blick, den man dann von hier aus
hätte. Prächtiger als vom Gianiculo! Ach, wenn meine allen Augen das noch
sehen könnten!" ...
"Das werden wir nicht
erleben," sagte Sascha traurig.
Kingscourt wunderte sich im
stillen über diese Phantastereien. Als er wieder mit Friedrich allein war,
sprach er: "Das ist ein merkwürdiges Paar, der Doktorsvater mit der
Doktorstochter. So praktisch und dabei so närrisch. Ich habe mir die Juden
auch anders vorgestellt."
Am folgenden Morgen nahmen sie
Abschied von den beiden und fuhren richtig, deren Rat befolgend, nach den
Kolonien. Sie sahen die Ortschaften Rischon leZion, Rehowoth und andere, die
als Oasen in der verdorrten Umgebung lagen. Viele fleißige Hände hatten,
sich da regen müssen, bis die Scholle wieder zum Leben erwacht war. Sie
sahen wohlbebaute Felder, eine stattliche Weinkultur und üppige
Orangengärten.
"Das ist alles in den letzten
zehn bis fünfzehn Jahren entstanden," erklärte ihnen der Vorsteher der
Judenkolonie Rehowoth, an den sie von Eichenstamm empfohlen worden war.
"Nach den Verfolgungen in Russland zu Anfang der achtziger Jahre hat diese
Bewegung begonnen. Es gibt aber noch verdienstlichere Kolonien als unsere.
Zum Beispiel die von Katrah. Die ist von studierten Leuten angelegt worden.
Sie haben die Bücher verlassen und sind auf den Acker hinausgezogen. Solche
Bauern gibt es wohl nirgends auf der Welt. Gelehrte Männer, die auf dem
Felde arbeiten."
"Das ist 'ne starke Nummer!"
rief Kingscourt. Aber noch größer wurde sein Erstaunen, als der Vorsteher
die jungen Burschen von Rehowoth zu Pferde steigen ließ. Eine Art arabischer
Fantasia wurde vor den Gästen aufgeführt. Die Burschen stürmten weit weg ins
Feld hinaus, warfen die Rosse herum, kehrten jauchzend zurück, warfen im
vollsten Lauf ihre Mützen oder ihre Gewehre in die Luft, fingen sie wieder
auf. Schließlich ritten sie in einer Reihe und sangen ein hebräisches Lied.
Kingscourt war hingerissen.
"Da soll doch ein mehrfach
gesalzenes Donnerwetter dreinschlagen. Die Kerls reiten ja wie der Deibel!
Mit so 'was hätte mein Ur-Ur auch die Attacke bei Roßbach — —". Aber
Friedrich hatte wenig Interesse für die Betätigungen einer gesunden
Lebenslust, und er war froh, als sie die Ansiedelungen verließen, um nach
Jaffa zurückzukehren.
Die Jacht war zur Abfahrt
bereit. Sie schieden in den letzten Dezembertagen vom besonnten Strande
Palästinas und steuerten nach Port Said. In diesem Hafen blieben sie zwei
Tage, dann ging es durch den Suezkanal weiter. Am Abend des 31. Dezember
1902 kamen sie ins Rote Meer. Friedrich hatte wieder eine Zeit völliger
Niedergeschlagenheit. In dieser Stimmung war ihm alles gleichgültig. Nach
Sonnenuntergang rief ihn Kingscourt aufs Verdeck: "Heute, Doktor, wollen wir
uns was besonders antun! Da, sehen Sie unsere Tischkarte. Habe auch eine
genügende Anzahl Silberhälse in Eis kühlen lassen."
"Was ist denn heute für ein
besonderer Tag, Mr. Kingscourt?" "Das wissen Sie nicht, Mensch? Der letzte
Tag des Jahres. Das ist kein banales Datum — wenn Daten überhaupt einen Sinn
haben." "Für uns ist das ohne jede Bedeutung," sagte Friedrich müde. "Für
ans beginnt nun die Zeitlosigkeit, ist es nicht wahr?"
"Jawohl, jawohl. Aber es ist
doch 'n verdammt kurioser Tag. Um Mitternacht wollen wir die Zeit ins Meer
senken, in euer Rotes Meer, und wenn das blödsinnige Zeitalter um ist, in
dem wir zu leben verurteilt waren, da wollen wir an etwas Großes denken!...
'nen gediegenen Punsch lasse ich uns auch brauen. Das ist verhältnismäßig
noch das Reellste in der allgemeinen Niedertracht des Daseins."
Und so taten sie. Der
Schiffskoch hatte sein Bestes geleistet. Auch die Weine waren vorzüglich.
Kingscourt, ein gewaltiger Zecher vor dem Herrn, trank dreimal so viel wie
Friedrich, und blieb dabei ziemlich klar und frisch, indessen sein junger
Gefährte einen Nebel in sich aufsteigen fühlte und nur noch wie im Traum
diese Worte vernahm, als es zwölf Uhr schlug: "Mitternacht!" rief Kingscourt
mit dröhnender Stimme. "Verrecke, Zeit! Ich leerte mein Glas auf deinen Tod.
Was warst du? Schande, Blut, Gemeinheit und Fortschritt. Stoßen Sie an,
Mensch, Mann, isolierter Zeitgenosse!" "Ich kann nicht mehr," lallte
Friedrich.
"Kleines Geschlecht!... Hier
sollten Sie sich doch auf die Fußspitzen stellen. Klassische Gegend! Hier
hat euer oller Moses eines seiner größten Kunststücke gemacht... Sie gingen
trockenen Fußes hindurch, offenbar gerade Ebbe gewesen. Und das Vieh von
einem Pharao hinterdrein mitten rin in die Flut. Keine Zauberei! Aber gerade
das Natürliche daran imponiert mir! Die einfachsten Mittel! Aber sehen muß
man sie, und gebrauchen können. Denken Sie mal, was war das für 'ne arme
Zeit, und WAS hat euer oller Moses vollbracht. Wenn der heute
wiederkäme und sähe die Wunder alle — die Eisenbahnen, die Telegraphen, die
Telefone, die Maschinen, die Jacht mit der Schraube, mit dem elektrischen
Scheinwerfer. Er würde nichts davon verstehen. Man müßte ihm vielleicht drei
Tage lang immerzu erklären. Aber nach drei Tagen hätte er alles raus. Und
wissen Sie, was er dann täte? Lachen würde er, furchtbar, grimmig lachen!
Weil die Menschen mit all dem fabelhaften Fortschritt nichts anzufangen
wissen. Im einzelnen Schicksal kommt man zur Überzeugung, daß die Menschen
schlecht sind. Aber beim Gesamtüberblick entdeckt man, daß sie nur dumm
sind. Namenlos dumm, dumm, dumm! Nie war die Welt so reich, und nie hat es
so viel Arme gegeben wie jetzt. Leute verhungern, während ungebrauchtes Korn
verschimmelt. Mir kann's recht sein. Je mehr zu Grunde gehen, am so weniger
Undankbare, Lügner und Treulose gibt es in der Welt"
Friedrich sprach mit schwerer
Zunge: "Glauben Sie nicht, Mr. Kingscourt, dass die Menschen viel besser
wären, wenn es ihnen besser ginge?"
"Nee, wenn ich das glaubte,
würde ich nicht nach meiner einsamen Insel ziehen, sondern mitten unter die
Menschen. Ich würde ihnen sagen, wie sie's anfangen müssten, um besser dran
zu sein. Nicht tausend, nicht hundert, nicht fünfzig Jahre brauchte man zu
warten. Heute! Mit den Ideen, Kenntnissen, Mitteln, die heute am 31.
Dezember 1902 im Besitze der Menschheit sind, könnte sie sich helfen. Man
braucht keinen Stein der Weisen, kein lenkbares Luftschiff. Alles Nötige ist
schon vorhanden, um eine bessere Welt zu machen. Und wissen Sie, Mann, wer
den Weg zeigen könnte? Ihr! Ihr Juden! Gerade weil's euch schlecht geht. Ihr
habt nichts zu verlieren. Ihr könntet das Versuchsland für die Menschheit
machen — dort drüben, wo wir waren, auf dem alten Boden ein neues Land
schaffen. Altneuland!"
Das
hörte Friedrich Löwenberg nur noch im Traum. Er war eingeschlafen. Und träumend
fuhr er durch das rote Meer der Zukunft entgegen.
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Fortsetzung
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